Stuttgart (dpa/rad-net) - Stuttgart hält an der Straßenrad-WM fest und hofft auf einen Neuanfang. Eine immer wieder diskutierte Absage kommt für Sportbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) nun nicht mehr in Frage.
«Die Stadt steht als Ausrichter zur Verfügung. Die Chance auf eine Wende im Radsport besteht», sagte die Vorsitzende des WM- Organisationskomitees. Die Entscheidung fiel nach Gesprächen mit dem Weltverband UCI, dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR), dem Bundesinnenministerium, dem Kultusministerium Baden-Württemberg sowie dem Stuttgarter Gemeinderat.
Nach monatelangem Zögern gab die öffentliche Hand nun die bislang zurückgehaltenen Fördermittel in Höhe von zusammen 284 000 Euro frei. 204 000 Euro steuert der Bund bei, 80 000 Euro das Land Baden-Württemberg. «Trotz der aufgedeckten Dopingfälle bei der Tour de France ist eine Förderung vor dem Hintergrund der gestrigen von der Steuerungsgruppe in Stuttgart beschlossenen Maßnahmen vertretbar»,
In einer Pressemitteilung des
Bundesinnenministeriums sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU):
"Mit den Beschlüssen der Steuerungsgruppe und der begonnenen Umsetzung
zeigt der Radsport, daß er Ernst machen will mit einer neuen Qualität der
Dopingbekämpfung und deutlich verschärften Dopingkontrollen. Vor diesem
Hintergrund hat sich das Bundesministerium des Innern in Abstimmung mit dem
Ministerium für Jugend, Kultus und Sport des Landes Baden-Württemberg und der
Landeshauptstadt Stuttgart entschieden, die Veranstaltung wie geplant zu
fördern." Dabei seien, so Schäuble, die folgenden Erwägungen maßgebend
gewesen:
"Trotz der aufgedeckten Dopingfälle bei der Tour de France ist eine
Förderung vor dem Hintergrund der gestern von der Steuerungsgruppe in Stuttgart
beschlossenen Maßnahmen vertretbar. Neben einer Vielzahl weiterer
Einzelmaßnahmen liegt der Schwerpunkt dabei auf verschärften Kontrollen, bei
denen mit mindestens 200 Tests im Vorfeld der Weltmeisterschaften und mit bis zu
130 Kontrollen während der Weltmeisterschaften (bislang vorgesehen 60
Kontrollen) die ursprünglich geplante Anzahl mehr als verdoppelt werden
soll. Damit werden die von den Zuwendungsgebern vorgegebenen Maßstäbe
eingehalten. Bei der kommenden UCI-Straßenrad-Weltmeisterschaft wird der
Radsport durch die Umsetzung der gestrigen Beschlüsse zu zeigen haben, dass es
ihm mit einer Neuorientierung ernst ist".
Vorausgegangen war die Einigung auf einen umfangreichen Maßnahmenkatalog für saubere Wettkämpfe in der Europäischen Sporthauptstadt 2007: Vor und während der Titelkämpfe vom 25. bis 30. September soll es mehr und vor allem strengere Dopingkontrollen als jemals zuvor geben. «Die Kontrollen sind so umfangreich, dass keiner dopt und nicht erwischt wird. Solche Anti-Doping-Vorkehrungen gab es noch nie bei einer ähnlichen Sportveranstaltung», sagte die CDU- Politikerin, «das ist eine echte Chance auf einen Neuanfang.»
In Absprache mit der nationalen und internationalen Antidoping-Agentur sowie der UCI wird die Anzahl der Doping-Kontrollen vor der WM verdoppelt werden. Überprüfungen soll es zudem unmittelbar vor und nach den WM-Wettkämpfen geben, auch in Hotelzimmern und Teamfahrzeugen. Die Kosten von einer Million Euro tragen die Radverbände. «Wir vertrauen darauf, dass unsere Partner UCI und BDR diese Maßnahmen umsetzen», ließ der in Kambodscha auf einer Dienstreise weilende Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) ausrichten.
Des Dopings verdächtige Sportler sollen nicht starten dürfen: «Wir brauchen keine großen Namen hier in Stuttgart, sondern Fahrer, die ihren Sport ehrlich betreiben», sagte Eisenmann. Offen ist weiterhin, ob Erik Zabel auf dem Rundkurs in der Stuttgarter Innenstadt um Medaillen kämpft. Der 37-Jährige hatte die Einnahme des Dopingmittels EPO in den 90er Jahren zugegeben. «Ich bin sicher, dass der BDR eine kluge Entscheidung im Bezug auf Erik Zabel treffen wird», sagte Eisenmann vieldeutig.
Die Stuttgarter gehen davon aus, dass sich Land und Bund an die vereinbarten Zuschüsse halten werden. Eine WM-Absage wäre die Schwaben teuer zu stehen gekommen. Ausländische Fernsehsender drohten mit Regressforderungen im zweistelligen Millionenbereich, eine Ausstiegsklausel lief bereits vor einem knappen Jahr ab. Der Gesamt- Etat für die zweiten Straßenrad-Titelkämpfe in Stuttgart nach 1991 beträgt fünf Millionen Euro, davon trägt die Kommune 2,3 Millionen. Drei Millionen Euro sind bereits ausgegeben.
Das Interesse von Zuschauern und der Wirtschaft an der WM ist nach den andauernden Doping-Schlagzeilen weiter gering. Der Ticketverkauf läuft äußerst schleppend. «Mit der Vermarktung haben wir ein Problem», gab Eisenmann zu. Zwar gebe es keine Absagen von Sponsoren, neue konnten aber auch nicht gewonnen werden. Trotzdem sei «finanziell alles im grünen Bereich».
Nach den Dopingfällen bei der Tour de France hatte es zunehmende Spannungen zwischen Stuttgart und der UCI gegeben. Erst auf den letzten Drücker hatte die UCI den von der Stadt als WM-Voraussetzung geforderten Maßnahmenkatalog befürwortet. Dies hatte weitere Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Antidoping-Bemühungen der UCI aufkommen lassen. Bereits zuvor hatte die Stadt Zahlungen an BDR und UCI eingefroren.