Hamburg (dpa) - Bob Stapleton räumt seinem T-Mobile-Team im Kampf um den Sieg bei der Tour-de-France keine Chancen ein und kritisierte die alten Strukturen des Profiradsports.
«Die Tour zu gewinnen, liegt noch jenseits unserer Möglichkeiten», sagte der Generalmanager in einem Interview mit der «Welt am Sonntag». Auf die Frage, ob die momentane Chancenlosigkeit auch daraus resultiere, dass nicht alle Fahrer mit fairen Mitteln arbeiteten, sagte Stapleton: «Lassen Sie es mich so sagen: Wenn alle clean wären, wäre der Ausgang der Tour schwer vorauszusagen. Dann gäbe es keinen Favoriten, bei dem davon auszugehen wäre, er gewinnt mit vier Minuten Vorsprung. Das Rennen würde einen knappen Ausgang nehmen und wäre richtig spannend.»
Stapleton sieht zwar Fortschritte im Kampf gegen Doping, stellte aber fest: «Alles in allem geht es aber leider schleppend voran. Das wurmt mich.» Es mangele noch immer an Mitstreitern. «Ich habe im vergangenen Jahr schnell ausgelotet, mit wem ich zusammenarbeiten kann und mit wem nicht», sagte Stapleton: «Mit der Hälfte bis zwei Drittel der Pro-Tour-Teams etwa gestaltet sich die Kooperation aus verschiedenen Gründen schwierig. Es gibt einen Mangel an Solidarität und einen Mangel an Führung.»
Man müsse die alte Garde davon überzeugen, «einen anderen Weg einzuschlagen». Das Problem sei die jahrzehntelange Tradition von Doping im Radsport, glaubt Stapleton: «Das ist wohl ein psychologisches Problem. Viele von den jetzt Verantwortlichen im Radsport stecken seit Jahren und Jahrzehnten in diesem System. Sie denken, sie können ohne Doping womöglich nicht mehr wettbewerbsfähig sein.» T-Mobile, Gerolsteiner und sechs französische Teams hatten zwei Tage vor dem Tourstart eine Sitzung der Profi-Team-Vereinigung AIGCP in London vorzeitig aus Protest verlassen.
Der Kalifornier Stapleton, um klare Worte nie verlegen, kritisierte namentlich auch den belgischen «Radsport-Patriarchen» Patrick Lefevere. Der AIGCP-Chef, dessen Quick-Step-Mannschaft die geforderte Ehrenerklärung vor der Tour als letzte unterzeichnete, bezeichnete Lefevere als «Vertreter des alten Systems». Die Belgische Zeitung «Het Laatste Nieuws» hatte den Belgier Anfang des Jahres angeklagt, «30 Jahre lang» Doping in seinen Teams gesteuert und daran mitverdient zu haben. Lefevere klagte wegen Verleumdung auf Schadenersatz von 20 Millionen Euro.