Berlin (dpa) - Die Irrungen und Wirrungen im Doping-Fall Jan Ullrich, die ein angeblich weiter geplantes Comeback des Radprofis immer unwahrscheinlicher machen, nehmen zu.
Ein von der Bonner Staatsanwaltschaft im Betrugsfall gegen Ullrich geplanter DNA-Abgleich wird sich nach Angaben aus Bonn wegen des Einspruchs seiner Anwälte verzögern. Ullrich widersprach dieser Version postwendend durch Stellungnahmen seines Anwalts Johann Schwenn (Hamburg) sowie seines Sprechers Michael Lang (Berlin) und kündigte die Bereitschaft zur Abgabe einer Speichelprobe an.
«Wir haben nur dem Rechtshilfe-Verfahren widersprochen. Jan Ullrich ist bereit, auf deutschem Boden eine Speichelprobe abzugeben. Das hätte die Staatsanwaltschaft mitteilen müssen. Nähere Details klären wir gerade mit der Staatsanwaltschaft Bonn», sagte Schwenn der dpa. Die Weitergabe des DNA-Materials ist zentraler Punkt des Rechtshilfe-Ersuchens der Bonner Behörden an die Schweizer Justiz.
Die Anwälte des ehemaligen T-Mobile-Kapitäns Ullrich hätten fristgerecht Einspruch gegen die Weitergabe des Erbmaterials aus der Schweiz nach Deutschland eingelegt, hatte zuvor der zuständige Bonner Staatsanwalt Fred Apostel bestätigt. Dagegen ließ Ullrich über Lang mitteilen: «Meldungen, wonach Jan Ullrich die Herausgabe einer DNA-Probe durch seine Anwälte verweigert, sind unzutreffend. In einem Schreiben vom 22. Januar 2007 an die Bonner Staatsanwaltschaft hat Jan Ullrich über seine Anwälte klar kommuniziert, dass er jederzeit bereit ist, eine Speichelprobe abzugeben.»
«Jan Ullrich hat seine Kooperationsbereitschaft gegenüber der Staatsanwaltschaft mehrfach deutlich gemacht», erklärte Lang. Der Radprofi werde «die fortdauernde Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte nicht hinnehmen und konsequent gegen wahrheitswidrige Veröffentlichungen vorgehen». Lang: «Es ist derzeit leider opportun, über Jan wider besseren Wissens nur noch negativ zu berichten. Das ist eine unerträgliche Kampagne, mit der einer der erfolgreichsten deutschen Sportler demontiert werden soll.» Laut Lang würden rechtsstaatliche Grundsätze «im Hinblick auf Jan» mit Füßen getreten.
«Jetzt entscheidet das Schweizer Gericht über die weitere Verfahrensweise. Bei einer Entscheidung für die Weitergabe an uns hätten die Ullrich-Anwälte das weitere Recht der Berufung», erklärte dagegen Apostel. Das Prozedere könne bis zu eineinhalb Jahre dauern. «Der Einspruch gegen die Weitergabe ist das gute Recht Ullrichs. Warum er den Abgleich nicht zulässt - darüber kann sich jeder Gedanken machen», erklärte Apostel, der auch die im Fall Ullrich ermittelnde Disziplinarkammer des Schweizer Radsport-Verbandes vertrösten musste.
Angeforderte Unterlagen könne es zur Zeit nicht geben, meinte der Bonner Staatsanwalt. Der zuständige Schweizer Verbands-Justiziar Bernhard Welten will mit einer Urteilsempfehlung an die Disziplinarkammer von Swiss Cycling - lebenslange Sperre oder Freispruch - so lange warten, bis er auch zusätzliches Material aus Bonn in der Hand hat. Außerdem wartet er weiter auf Unterlagen der in der Doping-Affäre gegen den Frauenarzt Eufemiano Fuentes ermittelnden spanischen Behörden. Ullrich und weitere 50 Radprofis sollen Fuentes-Kunden gewesen sein.
Wegen des juristischen Schwebezustands könnte Ullrich, der sein letztes Rennen im Juni 2006 bestritt, theoretisch im Moment fahren. Der Tour-Sieger von 1997 hat aber weder eine Profi-Lizenz noch ein Team. Ein möglicher Interessent, «Aqua & Sapone» aus Italien, hatte erklärt, erst wenn alle rechtlichen Fragen geklärt seien, könnte an eine Verpflichtung Ullrichs gedacht werden.
Im Zuge der Ermittlungen gegen Ullrich hatte der Ex-Profi bei den Schweizer Behörden im September eine Speichelprobe abgegeben, nachdem er bei einer Hausdurchsuchung seiner Villa in Scherzingen am Bodensee nicht angetroffen worden war. Diese Probe könnte mit dem Inhalt der bei Fuentes gefundenen und Ullrich zugerechneten Blutbeutel verglichen werden. Ullrich leugnet Doping und behauptet, den belasteten Mediziner aus Madrid, gegen den in den Sommermonaten der Prozess eröffnet werden soll, nicht zu kennen.
Ullrichs Anwälte und Berater haben alle Hände voll zu tun. In Bonn wird nach einer Anzeige der Rechts-Professorin Britta Bannenberg wegen Betrugs zum Nachteil seines ehemaligen Arbeitgebers T-Mobile ermittelt. In Hamburg laufen Untersuchungen wegen des Verdachts des Meineids in dem von dem Molekularbiologen und Doping-Experten Werner Franke angestrengten Verfahren. Dazu ermittelt der Schweizer Radsport-Verband.