St. Wendel (rad-net) - Drei Mal war Mike Kluge Querfeldein-Weltmeister, 1985 und
´87 bei den Amateuren sowie 1992 bei den Profis, und gehörte mehr als ein
Jahrzehnt zur absoluten Weltspitze. In St. Wendel steht er dem OK-Team als
Technischer Berater zur Seite und erzählt in folgendem Interview über seine
Erwartungen an die Titelkämpfe in St. Wendel und die Situation im deutschen
Cross-Sport.
Fast 20 Jahre nach Ihrem großen Triumph in München
findet wieder eine Cross-WM in Deutschland statt. Welche Empfindungen haben Sie
dabei?
Kluge: „Ich denke dabei natürlich an München 1985,
an die WM, bei der ich zum ersten Mal Weltmeister wurde. Das bleibt für mich
immer etwas Besonderes. Und ich empfinde es als schade, dass viele
Querfeldeinfahrer gar nicht wissen, was ein solcher Erfolg für die eigene
Karriere bedeutet und das deshalb nicht so wichtig nehmen. Für mich war München
damals das Sprungbrett."
Deutschland war einmal eine führende
Cross-Nation. Warum gab es keine Nachfolger für Klaus-Peter Thaler und Mike
Kluge?
Kluge: „Es liegt sicherlich auch daran, dass
man für diesen Sport ein gewisses Grundtalent braucht, Weltmeister lassen sich
nicht einfach so "produzieren". Was aber eben so wichtig ist, dass man
Fahrer hat, die sich unter einander gut verstehen, und sich gegenseitig
motivieren. Querfeldeinfahrer müssen im Winter hart trainieren, wenn es draußen
kalt ist und nass. Da musst du schon viel Spaß an diesem Sport haben, um jedes
Mal wieder aufs Rad zu steigen, egal welches Wetter ist. Geld allein ist da kein
Motivationsfaktor. Ein weiterer Punkt ist das hohe Maß der technischen
Anforderungen. Heute reicht es nicht mehr, schnell geradeaus zu fahren. Die
richtige Technik anzuwenden ist nicht einfach. Dazu braucht man jemanden, der
sich auskennt, und der einem das beibringt."
Wie beurteilen Sie die Situation im deutschen Cross-Sport?
Kluge: „Ich bedaure, dass die Gemeinschaft fehlt.
Sie ist ein wichtiger Grundstein zum Erfolg, denn nur wenn ein Team harmoniert,
setzt sich einer für den anderen ein. Ich habe manchmal das Gefühl, dass die
deutsche Spitze eher missgünstig und neidisch aufeinander sind, so kommt man
natürlich nicht weiter. Hilfreich wäre sicherlich, jeden Monat eine Art
Trainingslager zu veranstalten, wo alle zusammenkommen, dann würden sie näher
zusammenwachsen und erfolgreicher sein."
Warum sind die Belgier so dominant?
Kluge: „Weil sie genau das tun. Seit etwa zehn
Jahren arbeiten die Crosser konsequent zusammen, seit fünf, sechs Jahren stehen
sie an der Spitze. Vor vielen Jahren haben sie angefangen, als Gruppe
aufzutreten, gemeinsame Trainingslager zu absolvieren. Dabei entsteht eine
Gruppendynamik, die jeden einzelnen Sportler leistungsbereiter macht. Vor
einigen Jahren sind dann die ersten belgischen Junioren vorn rumgekreist, heute
gehören sie zur Weltspitze"
Wie beurteilen Sie die WM-Strecke
von St. Wendel?
Kluge: „Ich habe den Kurs mit ausgesucht und
finde ihn natürlich optimal. Wenn ich noch einmal einen Wunsch frei hätte,
dann würde ich gern noch einmal in Sankt Wendel fahren wollen. Es ist ein
richtiger Highspeed-Kurs, ein Mix aus Querfeldein und Kriterien. So müssen die
Veranstaltungen der Zukunft sein, denn so bleiben die Rennen bis zum Schluss
auch für die Zuschauer interessant. Die Chance ist groß, dass große Gruppen
lange zusammenbleiben, und erst kurz vor Schluss, vielleicht sogar erst im
Sprint, die Entscheidung fällt. Der Kurs von St. Wendel verspricht Spannung bis
zur letzten Sekunde. Und organisatorisch wird es bestimmt eine
Spitzen-Weltmeisterschaft. Das erfahrene Organisations-Team um Bürgermeister
und OK-Präsident Klaus Bouillon wird ganz sicher für eine Top-Veranstaltung
sorgen."
Kann die Weltmeisterschaft im
eigenen Land dem deutschen Crosssport neue Impulse geben?
Kluge: „Ich glaube, St. Wendel bietet dafür
eine exzellente Plattform, nicht nur die WM-Rennen selbst, sondern auch das
ganze Drumherum wird begeistern. Es wird ein richtiges Event. Wenn dadurch das
Interesse nicht geweckt wird, wann dann? In Deutschland muss endlich mehr für
den Crosssport getan werden, auch wenn er nur eine Randsportart ist. Aber es ist
ein zu toller und wertvoller Sport, um ein Schattendasein zu führen. Meiner
Meinung nach wäre es enorm wichtig, die Rennstrecken in Deutschland schneller
zu machen, so dass im Winter auch der eine oder andere Straßenfahrer mal wieder
aufs Crossrad steigt. Wenn namhafte Profis ins Gelände gehen, wird das auch
Zuschauer und Medien anziehen. Und dann hätte der Sport schon gewonnen."