St. Maixent-l'Ecole (dpa) - Jan Ullrich ärgerte Lance Armstrong vor dem entscheidenden Zeitfahren von Pornic nach Nantes über 49 km mit kleinen Nadelstichen: Der Olympiasieger spurtete auf der 18. Etappe der Tour de France von Bordeaux nach St. Maixent-l'Ecole, auf der sich der Spanier Pablo Lastras den Tagessieg holte, am ersten Zwischensprint in Montendre nach 50 km um den Sieg.
Der Zweite des Gesamtklassements holte sich hinter dem verdutzten Robbie McEwen und vor dem die Gesamtwertung anführenden Armstrong Platz 2 und damit zwei Sekunden Gutschrift gegen den vierfachen Tour-Sieger. Der Nervenkrieg vor dem Schlussakkord der Tour in der Bretagne hatte eine neue Qualität erhalten. Als Lastras über den Zielstrich spurtete, hatte das Hauptfeld mit Armstrong und Ullrich noch rund 20 km zu bewältigen.
Die Sprinter um McEwen und dem Träger des Grünen Trikots, Baden Cooke (beide Australien), schienen ihren Augen nicht zu trauen, als ihnen plötzlich Ullrich zum direkten Gegner erwuchs. «Jan fährt im Feld sowieso immer weit vorne. Wenn sich die Chance ergibt - warum nicht? Wir hatten uns das jedenfalls nicht ausdrücklich vorgenommen», sagte Bianchi-Teamchef Rudy Pevenage nach der überraschenden Aktion, die Ullrichs Rückstand auf Armstrong vor den letzten 201 km der diesjährigen Jubiläums-Tour auf 1:05 Minuten verkürzte.
Die drittletzte Etappe ähnelte ansonsten der vorangegangenen. Nach dem Zwischensprint von Montendre bildete sich eine 16-köpfige Spitzengruppe ohne deutsche Beteiligung. 25 km vor dem Ziel war der Vorsprung bei Nieselregen auf 22:30 Minuten gestiegen - Rekord in diesem Jahr. Keine der Mannschaften im Feld fühlte sich für die Tempoarbeit zuständig, weil keiner der Ausreißer vordere Plätze im Gesamtklassement gefährdete. Auch die Teams der bei einem Massenspurt aussichtsreichen australischen Sprinter um McEwen und Cooke versuchten das Blatt nicht zu wenden. Die Fahrer im Feld wirkten vor dem spannendsten Zeitfahren seit 14 Jahren wie eine müde Truppe von Rad-Touristen.
Elf Kilometer vor dem Ziel setzten sich acht Fahrer aus der Spitzengruppe ab, kurz danach von ihnen wieder der Spanier Davide Canada. Als einst hervorragender Zeitfahrer schien er gegen seine drei schärfsten Verfolger zu bestehen, aber 300 m vor dem Ziel war er mit seiner Kraft am Ende und wurde noch überholt. Lastras siegte nach 203,5 Km mit der zweitschnellsten Zeit in der Tour-Geschichte vor Carlo da Cruz und dem Italiener Daniele Nardello von Telekom. Den Rekord hält seit 1999 Mario Cipollini mit 50,355 km/h über 194,5 km von Lavalle nach Blois.