Madrid (dpa) - Ein neuer Dopingskandal erschüttert den Radsport. Bei der größten Doping-Razzia der spanischen Sportgeschichte hat die Polizei fünf Verdächtige festgenommen, darunter den Direktor des Profi-Radteams Liberty Seguros, Manolo Saiz.
Der 46-jährige Spanier, eines der Schwergewichte des internationalen Radsports, wurde nach seiner Vernehmung wieder auf freien Fuß gesetzt. Eine Sondereinheit der spanischen Polizei machte außerdem den Arzt Eufemiano Fuentes, den Laborchef José Luis Merino Batres, den Vizedirektor des Teams Comunidad Valenciana (früher Kelme), José Ignacio Labarta, und den Ex-Radsportler Alberto León dingfest.
Die Verdächtigen sollen Radprofis in einem Madrider Labor Blut abgenommen, dies mit roten Blutkörperchen angereichert und den Sportlern vor wichtigen Rennen injiziert haben. Die Beamten stellten bei Hausdurchsuchungen 200 Beutel mit Blutkonserven sicher. Diese trugen nach spanischen Presseberichten Codes, mit denen die Radsportler identifiziert werden können, für die das Blut bestimmt war. «Die Gruppe arbeitete für Profi-Teams der Spitzenklasse in Spanien und anderen Ländern», berichtete die Zeitung «El País» unter Berufung auf Insider-Kreise.
Die Festnahmen könnten daher eine Welle von Dopingfällen nach sich ziehen und internationale Ausmaße annehmen - ähnlich wie der «Festina-Skandal» bei der Tour de France 1998. Über die Blutkonserven könnten über 100 Rad-Profis in den Skandal verwickelt werden, auch Spitzenfahrer des derzeit laufenden Giro d'Italia, berichtete der spanische Rundfunk RNE. In Saiz' Team fährt mit Alexander Winokurow einer der Tour-Topfavoriten. Der festgenommene Arzt Fuentes soll eng mit dem italienischen «Preparatore» Luigi Cecchini zusammengearbeitet haben, mit dem früher Bjarne Riis, jetzt Teamchef des Giro-Spitzenreiters Ivan Basso, kooperierte. Basso bestritt energisch, mit der Sache etwas zu tun zu haben.
Wie aus Ermittlerkreisen verlautete, wurde Saiz nach seiner Festnahme wieder freigelassen, weil er eher ein «Kunde» und nicht ein aktives Mitglied der Doping-Bande gewesen sein soll. Der Spanier hatte nach seinem Einstieg 1989 beim Once-Team wissenschaftliche Methoden eingeführt und damit den Radsport revolutioniert. Allerdings machte er sich mit seinem unbändigen Siegeswillen und seiner Detailbesessenheit viele Feinde. Kaum ein Radprofi hielt es lange Zeit mit ihm aus - außer Roberto Heras. Und der Star des Liberty-Teams wurde im Februar nach einem positiven EPO-Test für zwei Jahre gesperrt. Der Vuelta-Sieg 2005 wurde ihm aberkannt.
Der Arzt Fuentes wurde in den vergangenen 20 Jahren immer wieder mit Dopingvorwürfen in Verbindung gebracht. Aber ihm konnte nie etwas nachgewiesen werden. Der ausgebildete Frauenarzt kommt aus der Leichtathletik und war früher ein 400-m-Hürdenläufer. Seine Frau Cristina Pérez wurde in den 80er Jahren positiv getestet, später aber freigesprochen. Von dem «Hexer von Gran Canaria», wie das Sportblatt «As» den Mediziner nennt, erzählt man sich die Geschichte, dass er während der Vuelta 1991 auf einem Flug von Mallorca nach Barcelona eine Kühltasche auf dem Schoß trug. Auf die Frage nach dem Inhalt antwortete der für seine Unverfrorenheit bekannte Arzt: «In der Tasche befindet sich der Schlüssel für den Gewinn der Vuelta.»
Spanien galt bis vor kurzem als ein «Doping-Paradies», das es mit den Kontrollen nicht so genau nahm. Nun aber verfolgt die Regierung eine Strategie der «Null-Toleranz». Nach einem Gesetzentwurf drohen Teamärzten und Managern bei Anstiftung zum Doping bis zu zwei Jahre Haft. «Spanien war lange Zeit die einzige große Radsport-Nation, in der Betrüger ungestraft ihrem Handwerk nachgehen konnten», erinnert das französische Sportblatt «L'Equipe». «Nun haben die Spanier den Rückstand aufgeholt und folgen dem Beispiel der Franzosen, Italiener und Belgier.»