Civitanova/Berlin (dpa) - Die Häme einiger Experten ist fast schon vergessen. Ob nun zehn Kilogramm Körpergewicht zu viel, wie Bjarne Riis urteilte, oder fünf (Lance Armstrong).
Jan Ullrich, durch eine Kniereizung beim Formaufbau für die Tour de France zurückgeworfen, ist beim 89. Giro d'Italia langsam im Kommen. Das gilt auch nach der ersten Bergankunft auf dem Passo Lanciano, bei der er 16:05 Minuten auf den entfesselt fahrenden Tagessieger und Giro- Favoriten Ivan Basso verlor.
Sein in dieser Saison noch nicht sehr erfolgreiches T-Mobile-Team betrachtete die Italien-Rundfahrt vor der ersten Bergankunft sogar wie durch eine rosarote Brille. Die Zwischenbilanz nach dem ersten Giro-Drittel fiel mit drei Rosa Trikots durch Olaf Pollack und Sergej Gontschar sowie Ullrichs allmählicher Formsteigerung unerwartet positiv aus.
«Step by Step geht es bei Jan aufwärts. Die letzten drei Etappen waren sehr schwer und er hat eine gute Figur gemacht. Im zweiten Teil des Team-Zeitfahrens hat er richtig draufgedrückt, am folgenden Tag hatte er großen Anteil an Olafs Trikot und auf der ersten Bergetappe konnte er im Finale mit den Besten fast mitgehen», freute sich Ullrichs Mentor Rudy Pevenage über die aktuelle Entwicklung des 32-Jährigen.
In der kommenden Woche könnte der T-Mobile-Kapitän, der in seinen Reihen schon zwei Träger des Rosa Trikots hatte, sogar selbst einmal das Podium anpeilen. «Das Zeitfahren am Donnerstag ist lang und flach. Es liegt sowohl Gontschar, Michael Rogers als auch Jan. Natürlich haben wir da Ambitionen», meinte Pevenage.
Der Kampf gegen die Uhr in Pontedera über 50 Kilometer könnte für Ullrich auf der 11. Etappe ein erster ernsthafter Tour-Test werden. In sieben Wochen findet das erste Tour-Zeitfahren nach Rennes über 52 Kilometer statt, am vorletzten Tag stehen 56 Kilometer auf dem Programm. Beiden Zeitfahren wird herausragende Bedeutung bei der Suche des Armstrong-Nachfolgers in Frankreich beigemessen.
«Man merkt, dass wir alle auf einer Wellenlänge funken. Wir wollen den Sieg - und zwar bei der Tour. Bei mir rollte es wie erwartet nach den vielen Trainingskilometern. Die Grundlagen, die ich mir im Winter erarbeitet habe, sind da. Das bestätigte das Mannschaftszeitfahren. In den Bergen liege ich noch zurück», zog Ullrich vor der ersten Bergankunft eine zurückhaltende Zwischenbilanz auf dem Weg zur optimalen Tour-Form.
Zurückhaltung schien auch anbebracht. Ullrich musste den Anstrengungen der Vortage Tribut zollen. «Das geht nicht jeden Tag so. Ich habe Gontschar noch mit in die Steigung gefahren und habe dann abreißen lassen», sagte Ullrich nach der Etappe, die er in einer ersten größeren Gruppe mit etwa 35 Fahrern erreichte.
In Frankreich erwartet Tour-Chef Jean Marie Leblanc, der die Geschäfte am 23. Juli endgültig an Christian Prudhomme übergeben wird, an der Spitze einen Generationswechsel. Dabei benannte er das «spanische Juwel» Alejandro Valverde (26) und den Italiener Damiano Cunego (24). Als Favoriten erwartet Leblanc «die, die auch schon zu Armstrongs Herausforderern zählten: Ivan Basso, Alexander Winokurow und vielleicht Jan Ullrich».