Angers (dpa) - Lance Armstrongs glatzköpfiger Spion staunte, und auch Udo Bölts war angenehm überrascht: Jan Ullrichs Start in die Saison 2005 beim 53. Circuit de la Sarthe in Frankreich lief reibungslos und - gemessen am eher geringen Anforderungsprofil - erfolgreich.
«Er sieht besser aus als in den vergangenen Jahren bei Telekom. Das betrifft sowohl das Zeitfahren als auch die erste Etappe über 197 Kilometer, in der er im Feld auch bei Seitenwind dem hohen Tempo immer mühelos folgen konnte», lobte Ullrichs ehemaliger Edelhelfer Bölts, der dem Fahrerfeld als Interims-Teamchef bei Gerolsteiner hinterher fuhr.
Ullrich selbst ging nach den ersten Renn-Kilometern nach monatelangem Training in Südafrika, auf Mallorca und in der Toskana kritischer mit sich ins Gericht: «In punkto Kraft und Luft fehlt mir noch viel. Mit meinem neuen, auf meine Maße konzipierten Zeitfahrrad, das eine etwas andere Geometrie hat und etwas leichter ist, bin ich sehr zufrieden», sagte der Toursieger von 1997, der seinen ersten kleinen Härtest - ein Zeitfahren über 8,8 Kilometer - als 13. mit 21 Sekunden hinter Tagessieger Florend Brard aus Frankreich beendete. Armstrongs Tour-Bodyguard, der Belgier Serge Brollée, beobachtete Ullrichs ansprechenden Einstand mit erstaunter Miene.
«Er sah gut aus beim Zeitfahren, obwohl es vorher wegen eines platten Reifens bei der Anfahrt auf die Startrampe noch Aufregung gegeben hatte», urteilte T-Mobile-Teamchef Mario Kummer, der im Begleitwagen mit Ullrich-Betreuer Rudy Pevenage folgte. Die neue Öffnungs-Politik des T-Mobile-Teams zum einst verstoßenen Pevenage wird allerdings nur temporär sein. «Bei der Tour darf ich nicht im Wagen sitzen», sagte der 51-jährige Belgier, der sich vor knapp drei Jahren den Unmut des Team-Managers Walter Godefroot zugezogen hatte, als er Telekom Hals über Kopf verließ, um seinem langjährigen Schützling Ullrich zum Team Coast zu folgen.
Der durchtrainiert wirkende T-Mobile-Kapitän, der sich zum Start der 2. Etappe von einem als Schwein Verkleideten umarmen ließ und daneben fast asketisch wirkte, mache laut Pevenage «mindestens einen so guten Eindruck wie 2003». Vor zwei Jahren stieg der Olympiasieger von Sydney ebenfalls an der Sarthe in die Saison ein und legte das Fundament für das damals kaum für möglich gehaltene Tour-Comeback nach über einjähriger Zwangspause. Im Juli 2003 rückte er Armstrong bei der Frankreich-Rundfahrt als Zweiter mit 61 Sekunden Rückstand so dicht auf den Pelz wie nie.
Die letzte Etappe seiner Tour-Vorbereitung wird Ullrich im Juni wie üblich bei der Tour de Suisse oder bei der Dauphiné Libérée in Frankreich absolvieren, wo er auf Armstrong treffen könnte. «Er fährt gerne in der Schweiz, weil er dort wohnt und voriges Jahr gewann. Aber auch die Dauphiné hat ihre Vorteile: Er hätte da sicher mehr Ruhe und würde im Wettkampf einige Bergpassagen der Tour fahren», sagte Pevenage.
Im Disput um die Tour-Teilnahme Erik Zabels brach Ullrich eine Lanze für den Berliner Routinier und widersprach seinem Freund Andreas Klöden, der sich öffentlich mehrmals für einen Zabel-Verzicht in Frankreich ausgesprochen hatte: «Es fahren die neun Stärksten, und wenn Erik dabei ist, gibt es keine Diskussion.»