Innsbruck (dpa) - Tony Martins müder Blick ging zur digitalen Zeitanzeige über dem Zielstrich - dann war es Gewissheit: wieder keine WM-Medaille im Einzelzeitfahren für ihn.
Im Inn-Tal hatte der in die Jahre gekommene Rekord-Weltmeister gegen den überragenden Rohan Dennis und fünf weitere Konkurrenten keine Chance. Zwei Saisonsiege 2017, nur einen bei den nationalen Titelkämpfen in diesem Jahr, WM-Rang neun im Vorjahr, jetzt Siebter. Die Dominanz ist dahin, eine Ära scheint sich dem Ende zu nähern.
Aber Martin steuert gegen diesen Eindruck. Nicht nur, weil er ab 2019 in einem neuen Team - wahrscheinlich LottoNL-Jumbo - noch einmal einen so genannten Neuanfang sucht. Nach seiner ersten Enttäuschung im Schatten der Hofburg sprach der 33 Jahre alte Wahlschweizer schon vom nächsten Titelrennen: «Nächstes Jahr in Yorkshire soll der Kurs ja wieder flach sein». Das war er in Innsbruck und Umgebung nicht. Die Fünf-Kilometer-Steigung im Gnadenwald hatte Martin endgültig vom Kurs Richtung Podium abgebracht.
«Die Steigung war brutal», sagte der gebürtige Lausitzer, den auch ein Wirbelbruch, der ihn zur Aufgabe der Tour de France gezwungen hatte, nicht davon abgebracht hatte, in Innsbruck zu starten. Für Rohan Dennis, der sogar Titelverteidiger Tom Dumoulin im Ziel nach 52,1 Kilometern über 1:21 Minuten abgenommen hatte, spielten die Details des Kurses keine Rolle.
Highspeed zum Beginn, Kletterpartie im zweiten Drittel oder Klassiker-Parcours zum Schluss: Der Australier, der die anspruchsvolle Strecke mit einer sagenhaften Durchschnittsgeschwindigkeit von 49,6 Stundenkilometern zurückgelegt hatte, war bei bei allen Zwischenzeiten immer der Schnellste.
Er setzte seine Erfolgsserie dieser Saison fort. Innsbruck markierte seinen siebten Sieg im Kampf gegen die Uhr. Sunweb-Kapitän Dumoulin, der den Giro d'Italia und die Tour in den Beinen hatte, konnte den Australier 2018 nur einmal beim ersten Zeitfahren der Italien-Rundfahrt bezwingen.
Dennis, als Heißsporn bekannt, der bei Misserfolgen schon mal im Mannschaftsbus randaliert, war diesmal nur glücklich. «Ein Kindheitstraum ist wahr geworden. In keiner Altersklasse zuvor stand ich bei einer WM je auf dem Podium», sagte der 28-Jährige, der in den nächsten Wochen zum ersten Mal Vater wird.
Dennis und Dumoulin werden wohl auch in Zukunft im Zeitfahren vor Martin stehen. Dazu melden sich Youngster wie auch Maximilian Schachmann immer stärker zu Wort. So sieht es auch Martins zwei Jahre älterer Konkurrent Marcus Burghardt. «Tony ist ja nicht mehr der Jüngste und viele Junge kommen nach», sagte der Routinier, am Sonntag verlängerter Arm der Teamleitung der deutschen Nationalmannschaft, zum WM-Abschluss im Straßenrennen.
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