Hamburg (dpa) - Sowohl die positive Dopingprobe von Patrik Sinkewitz, als auch der Ausstieg der deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender aus der Berichterstattung über die Tour de France hat ein großes Echo in den internationalen Zeitungen gefunden:
ITALIEN:
«Corriere della Sera»: «Spektakuläre Entscheidung von ARD und ZDF nach den anormalen Testosteron-Werten bei Patrik Sinkewitz. Die staatlichen Fernseh-Sender verlassen die Tour aus Protest.
Die Tour ist wie der alte Hafen von Marseille: faszinierend, aber ein bisschen gefährlich. Und nun entscheiden die deutschen Fernsehsender zu gehen wie verängstigte Touristen. Die Maßnahme soll andauern bis Gegenanalysen den positiven Befund entweder bestätigen oder widerlegen. Angesichts der notwendigen Mindestzeit würde das einen endgültigen Abschied von der Tour bedeuten, gerade jetzt, wo der Spitzenkandidat für den Sieg ein Deutscher ist, Andreas Klöden.»
«Il Messaggero»: «Der Fall: Sinkewitz positiv - zwei deutsche Fernsehsender steigen aus der Tour-Berichterstattung aus.»
«La Repubblica»: «Die deutschen Fernsehsender verlassen die Tour - 'Wir erzählen keine erfundenen Geschichten.'
Die Tour de France kann man auf vielerlei Art und Weise erzählen, auch indem man mehr über Doping als über das Rennen berichtet. Durch eine Verdunkelung der Berichterstattung wird die Tour nicht reiner, sondern erhält nur den Stempel des Verseuchten und wird damit isoliert. Würde dies auch im Fall der Olympischen Spiele, der Leichtathletik, des Fußballs so sein? Man weiß es nicht. Der Stein ist ins Rollen gebracht, die Debatte geht weiter.»
BELGIEN:
«De Morgen»: «Das hat es noch nie gegeben: Ein Fernsehsender weigert sich, die Tour de France auszustrahlen, weil ein Rennfahrer beim Doping erwischt wurde. Der Deutsche Patrik Sinkewitz wurde positiv auf Testosteron getestet, woraufhin ARD und ZDF alle Sendungen einstellten. Das politische Deutschland schart sich hinter diesen Beschluss. Was auf den ersten Blick wie ein banaler Dopingfall aussieht, stürzt das Radrennen in eine tiefe Krise.»
SCHWEIZ:
«Basler Zeitung»: «Will man die 'rollende Apotheke' treffen, gibt es tatsächlich keine effektivere Methode. Würden alle anderen Sender dem Beispiel folgen, dann stiegen auch die Sponsoren aus. Sie entzögen dem Radsport so das Geld, das in der Geschichte der Menschheit stets den größten Anreiz zu Verbotenem schuf.»
«Tages-Anzeiger» (Zürich): «Die positive Probe von Sinkewitz macht die Tour nicht verseuchter. Sie vertreibt auch die Anzeichen nicht, dass es die sauberste ist seit Jahren. Nicht sauber, aber sicher besser als zur Blütezeit des Bluthormons Epo. Zu jener Zeit, als Jan Ullrich ein deutscher Held war und die ARD das Team Telekom sponserte. Am damaligen Verhalten müssen sich die deutschen Fernsehanstalten ARD und ZDF messen lassen, wenn sie jetzt als selbst ernannte Vorreiter der Dopingbekämpfung die Tour boykottieren. Sie sind weder konsequent, noch rütteln sie auf. Sie sind nur heuchlerisch.»
«Neue Zürcher Zeitung»: «Ist es auch die richtige Wandlung? Unbedingt! Nur das Fernsehen hat die Macht, den Druck auf die heuchlerische Radszene so stark zu erhöhen, dass auch ein Selbstreinigungsprozess einsetzt. Ohne TV-Bilder wäre ein Patrik Sinkewitz in Deutschland wohl nicht bekannter als ein Volleyballer oder Telemark-Skifahrer. Ohne TV-Bilder käme er finanziell knapp über die Runden, würde sein bedauernswerter (Doping hin oder her) Zustand nach dem fürchterlichen Zusammenstoss mit einem Zuschauer kaum eine ganze Nation mitleiden lassen.»
NIEDERLANDE:
«De Telegraaf»: «ARD und ZDF haben sich als Gewissen des Radsports profiliert. Aber haben die Medien nicht die Aufgabe, journalistisch zu berichten anstatt selbst Position zu beziehen? Für den Radsport ist dies ein neuer Schlag.»
«Trouw»: «Das Märchen von Jan Ullrich war beendet, lang lebe das neue Märchen. Nach dem Skandal um das ehemalige Hätschelkind der Nation entpuppte sich T-Mobile als kühner Ritter in einer dunklen Welt. Vielleicht kommt man in der Bonner Zentrale allmählich zu der Erkenntnis, dass der Krieg gegen das Doping nicht zu gewinnen ist. Und dass es keine Märchen gibt.»
ÖSTERREICH:
«Der Standard»: «Das ging ja schnell. Eben noch war Deutschland geschockt, aber auch zu Tränen gerührt von Doping-Geständnissen diverser Radsportheroen. Eben noch hat T-Mobile einen jetzt aber wirklich sauberen, transparenten Weg eingeschlagen. Eben noch sind deutsche Kommentatoren auf diesen Marketingschmähzug aufgesprungen. Eben noch hat Jörg Jaksche, einer der geständigen Dopingsünder des T- Mobile-Vorläufers Telekom, für die ARD die Tour begleitet. Eben noch haben Kommentatoren und Fans jubeln können, als der junge T-Mobile- Deutsche Linus Gerdemann ins gelbe Trikot radelte. Da kommt der nächste positive T-Mobile-Test daher.»
«Kurier»: «Vertrauen und Glaubwürdigkeit wollten sie wieder herstellen, die Herrschaften vom deutschen Team T-Mobile, nach den Dopinggeständnissen der Aldags und Zabels und Jaksches und den Vorwürfen gegen Jan Ullrich. Den Radsport wieder dort positionieren, wo er ihrer Meinung nach hingehört. In die sportliche Ecke. Nicht in die pharmazeutische. Ein hehres Ziel das seit gestern, 10.53 Uhr, als verfehlt zu bezeichnen ist: Patrik Sinkewitz, 26-jähriger Profi in Diensten des Bonner Rennstalls, der sich nach den Skandalen der letzten Monate ein Saubermann-Image verpasst hat, ist am 8. Juni getestet worden. Positiv.»
«Krone»: «Doping! ARD und ZDF stoppen Tour-Sendung.
Doping-Geständnisse hin, Anti-Doping-Programme her: Im Radsport wird munter weiter betrogen! Vor dem Startschuss zur 10. Tour-Etappe platzte gestern der nächste Skandal. T Mobile-Profi Patrik Sinkewitz wurde bei einer Trainingskontrolle im Juni mit Testosteron erwischt. Die deutschen TV-Sender ARD und ZDF stellen ihre Berichterstattung über die Tour de France vorläufig ein, der Kommunikationskonzern überlegt den Ausstieg aus dem Radsport.
Das ist der Doping-Hammer! Ausgerechnet das T-Mobile-Team sorgte für den ersten Doping-Skandal bei der Tour. Der Rennstall um den US- Milliardär Bob Stapleton hatte sich nach Doping-Beichten um Ex- Rennfahrer zum neuen Sauber-Team aufgemacht.»
«Salzburger Nachrichten»: «Erneuter Tiefschlag für den Profiradsport.
Nach der Affäre um die Toursieger Jan Ullrich und Bjarne Riis hat das T-Mobile-Team sich dem Anti-Doping-Kampf verschrieben. Die positive A-Probe ist ein schwerer Schlag für das um Sauberkeit im Radsport kämpfende Team.
Der erneute Dopingfall hat schwer wiegende Konsequenzen. ARD und ZDF statuierten ein Exempel und stellten die Übertragungen der Tour de France umgehend ein. Damit verliert der Radsport in Deutschland vorerst die wichtigste öffentliche Bühne.»
SPANIEN:
«El País»: «Der Ausstieg von ARD und ZDF ist ein schwerer Schlag für einen Sport, dessen Einnahmen ausschließlich von den in den Übertragungen vorkommenden Sponsoren abhängt.»
«As»: «Das ist eine Bombe: Deutschland überträgt die Tour nicht mehr. Der Radsport hat der Realität den Rücken gekehrt und fährt in eine Sackgasse. Aber so wird es nicht weitergehen. Entweder es ändert sich etwas oder der Radsport hört auf zu existieren. Die Gesellschaft erträgt den Radsport, wie wir ihn bislang gesehen haben, nicht mehr. Wir sind es alle satt, einen vergifteten Sport zu beklatschen. Ohne Fernsehen kann er nicht leben.»
«El Mundo»: «ARD und ZDF legen gegen das Doping ihr Veto ein.»
GROSSBRITANNIEN:
«The Times»: «Die T-Mobile-Kampagne, das eigene Image nach zwölf Monaten von Dopingskandalen zu säubern, wurde durcheinander gebracht. Die Nachricht ist ein riesiger Rückschlag für die erklärte Absicht des Teams, sauber und glaubwürdig zu fahren.»
«The Guardian»: «Dies ist ein einmaliger Schritt, den noch nie ein Fernsehsender, der die Tour überträgt, gemacht hat. Die beiden Fernsehsender, die die Tour gemeinsam übertragen, waren seit 1997, als Jan Ullrich den ersten deutschen Toursieg holte, enorm präsent. Sie hatten schon lange und hart darüber nachgedacht, ob sie das diesjährige Rennen übertragen sollen - nach Ullrichs Verwicklung in den Blutdopingskandal von Puerto und den Dopinggeständnissen deutscher Fahrer in den vergangenen Monaten.»
«Daily Telegraph»: «Insgesamt 90 Stunden Übertragung hatten die Sender für die Tour eingeplant. Die Rennveranstalter Amaury Sport Organisation (ASO) kritisierten die deutschen TV-Stationen, die die zweitgrößte Einnahmequelle an Fernsehrechten sind.»
«The Sun»: «Die Tour de France wurde von einem weiteren Dopingskandal erschüttert, nachdem Patrik Sinkewitz positiv getestet wurde. Der Deutsche streitet die Anschuldigungen ab. Aber die gute Nachricht für die Tour-Veranstalter ist, dass der Franzose Cedric Vasseur ihr erster Landsmann ist, der (in diesem Jahr) einen Etappensieg feiern konnte.»
FRANKREICH:
«L'Équipe»: «Die ersten Tage der Fahrt waren turbulent - schließlich sprach die deutsche Presse mehr vom Doping als vom Wettkampf und machte ohne Unterlass surrealistische Vergleiche mit den Praktiken in Nazi-Deutschland. Aber der Sieg und das Gelbe Trikot von Linus Gerdemann am Samstag am Grand-Bornand erlaubte zumindest kurzzeitig, nach dem Doping-Kapitel eine neue Seite aufzuschlagen. Manche waren jenseits des Rheins bereit, an die Erneuerung und eine junge, unbelastete Generation zu glauben. Doch nun ist es ungewiss, ob diese neue Affäre bald und zudem sorgenfrei abgeschlossen wird. (...) Schwarzer Bildschirm in Deutschland.»
«Le Figaro»: «In Deutschland, dem nach Frankreich zweiten Absatzmarkt für Bilder und Rechte, sieht man statt der Tour nun mancherorts einen schwarzen Bildschirm. Eine schwere Entscheidung mit Konsequenzen für den Wettkampf.»
«Le Parisien»: «Noch am Sonntag war die Freude im deutschen Fernsehen groß über den Sieg und das Gelbe Trikot von Linus Gerdemann. Doch in Deutschland wurde die öffentliche Meinung stark beeinflusst von ständigen Wiederholungen der Dopingaffären von Ullrich, Aldag und Zabel, deshalb haben die Medien nun das Handtuch geworfen.»
«Libération»: «Wie gewöhnlich hat uns die Tour in ihrer ersten Woche groß das Märchen vorgegaukelt von der Erneuerung und der Hoffnung. Nun werde ein neues Kapitel begonnen! In Wirklichkeit aber nimmt der Rennradfahrer so selbstverständlich Testosteron, wie Hirsche ihr Geweih abwerfen, und ein neues bekommen. Sinkewitz ist ein junges Wild, das sich im Netz verheddert hat. Aber was sagen nun die alten Hirsche von 35 Jahren, die röhren, ihre Beine würden sich ganz von selbst bewegen - und anderes Geschwätz.»