Madrid/Berlin (dpa) - Zwei Männer treffen sich in einem Madrider Hotel. Beim Verlassen des Gebäudes werden sie von spanischen Polizisten festgenommen.
Der eine ist der Arzt Eufemiano Fuentes, der seit 20 Jahren für Teams des Profi-Radsports gearbeitet hatte und immer wieder mit Dopingvorwürfen in Verbindung gebracht worden war. Der andere ist Manolo Saiz, Chef des Liberty-Teams und eines der Schwergewichte des internationalen Radsports. Er hat 60 000 Euro und eine Kühltasche mit Doping-Präparaten bei sich.
So begann am 23. Mai die Affäre, die sich zum größten Dopingskandal in der Geschichte des Radsports auszuweiten scheint. Noch am gleichen Tag machten die spanischen Ermittler drei weitere Verdächtige dingfest, darunter den Hämatologen José Luis Merino Batres. Er ist der Chef des Speziallabors in der Madrider Zurbano- Straße, das als die Operationsbasis des aufgedeckten Doping-Rings gilt.
Von dort sollen Radprofis der Spitzenklasse mit präparierten Blutkonserven und anderen Dopingmitteln versorgt worden sein. Laborchef Merino Batres behandelte Sportler nach eigener Aussage auch in deren Hotelzimmern, allerdings - wie er betonte - stets im Auftrag des Dr. Fuentes.
Dieser Mediziner, eigentlich ein ausgebildeter Frauenarzt, ist eine der schillernden Figuren des Radsports. Über den früheren 400- Meter-Hürdenläufer zirkuliert seit Jahren die Geschichte, dass er während der Spanien-Rundfahrt 1991 auf einem Flug von Mallorca nach Barcelona eine Kühltasche auf dem Schoß trug. Auf die Frage nach dem Inhalt antwortete der für seine Unverfrorenheit bekannte Arzt: «In der Tasche befindet sich der Schlüssel zum Gewinn der Vuelta.»
In dem Madrider Speziallabor stellte die Polizei Blutkonserven und Unterlagen über die behandelten Radprofis sicher. Die Patienten-Daten waren durch geheime Codes verschlüsselt. Die Ermittler glauben jedoch, das «Sanskrit des Dr. Fuentes» entschlüsselt zu haben. Mit Hilfe von Überwachungskameras und abgehörten Telefonaten wollen sie über 50 mutmaßliche «Kunden» des Labors identifiziert haben, darunter soll auch Jan Ullrich sein.
Die sportlichen Folgen für die betroffenen Fahrer dürften verheerend sein. Die eigentlichen Drahtzieher des Rings haben dagegen wenig zu befürchten. Die neue spanische Gesetzgebung, die Doping unter Strafe stellt, ist noch nicht in Kraft. Der Vorwurf, der Dr. Fuentes und dessen Komplizen zur Last gelegt wird, lautet Angriff auf die öffentliche Gesundheit. Renommierte Ärzte wie der Hämatologe Fernando Hernández wiesen jedoch darauf hin: «Medizinisch betrachtet ist das Doping mit Eigenblut harmlos und praktisch ohne Risiken.»