Carpera (dpa) - Das richtige Rezept gegen Giro-Frust könnte Alessandro Petacchi in den Händen halten. Besonders in der ersten Woche der 90. Italien-Rundfahrt will der Topsprinter glänzen und nach den Doping-Schlagzeilen der vergangenen Wochen Garant für Jubel ohne schlechtes Gewissen sein.
Aber noch ist nicht klar, ob Petacchi nach seiner Knieoperation vom Vorjahr wieder der Alte ist und für bessere Stimmung in bitteren Zeiten sorgen kann. Der Milram-Kapitän muss zudem auf seine verletzten und eingespielten «Anfahrer» Fabio Sacchi und Marco Velo verzichten.
Petacchis Vergangenheit spricht für sich: Bei Giro, Tour de France und Vuelta gewann er zusammen 40 Etappen. 2003 stellte der Mann aus der ligurischen Hafenstadt La Spezia mit neun Tagessiegen den Giro-Nachkriegsrekord auf und holte sein erstes Rosa Trikot. Ab der 2. Etappe hat er sich nach dem ungewöhnlichen Giro-Auftakt mit einem 25,4 Kilometer langen Team-Zeitfahren auf der kleinen Mittelmeerinsel Carprera viel vorgenommen: «Ich muss den ersten Sprint gewinnen und will das Rosa Trikot holen. Das ist bei diesem Giro das Wesentliche für mich und eine gute Gelegenheit, mit der jüngsten Vergangenheit abzuschließen», sagte Petacchi, der die Italien-Rundfahrt 2006 in ganz schlechter Erinnerung hat.
Bei einem Sturz auf der 3. Etappe, die später in Namur Stefan Schumacher vom Team Gerolsteiner in großem Stil gewann, brach er sich die Kniescheibe im linken Bein. Erst vier Monate später bei der Vuelta probte er wieder den Ernstfall - unter anderen mit Erik Zabel als Windschatten. Auf der 15. Etappe schien für das Comeback alles gerichtet. Auf der Zielgeraden fuhr der berühmte «Zug»: In hoher Geschwindigkeit war die Milram-Truppe wie an einer Perlenkette aufgereiht, mittendrin der Chef, der erst im letzten Moment ausscheren und siegen sollte.
Aber sein Landsmann Danilo Neapolitano drängelte etwas - im Sprinter-Geschäft eine Alltäglichkeit - und Petacchi wurde nur 12. Darüber ärgerte sich der Rekonvaleszent so sehr, dass er mit der Hand an den Mannschaftsbus schlug - und sich dabei einen Finger brach: Damit war das geplante Comeback im Eimer und die Spanien-Rundfahrt für Petacchi vorzeitig beendet.
2007 begann zunächst nicht viel besser. Beim ersten Klassiker Mailand-San-Remo im März, für italienische Profis so etwas wie eine Weltmeisterschaft im Frühjahr, war Zabel im Milram-Team eindeutig stärker als sein Chef. Die Stallorder verlangte aber Unterordnung - Petacchi wurde Achter. Die Niedersachsen-Rundfahrt mit drei Etappensiegen und dem Gesamterfolg soll die Wende gewesen sein. «Der wahre Petacchi ist zurück», hatte er sich nach seinem Sieg auf der ersten Etappe am Firmensitz des Sponsors in Bremen gefreut. Den Beweis wieder erlangter Stärke muss er ab Sonntag liefern, wenn die Konkurrenten Robbie McEwen, Thor Hushovd oder wieder Napolitano heißen.
Petacchi hofft in den nächsten drei Wochen auf schnelle Beine und ruhige Arbeitsbedingungen nach den Ereignissen um den demissionierten Vorjahressiegers Ivan Basso: «Mir tut es leid für Ivan, aber ich hoffe, dass die Rundfahrt trotzdem unbeschwert und ohne größeres Chaos ablaufen wird. Das kann der Radsport nicht gebrauchen, genauso wie ich auch nicht.»