Mailand/Berlin (dpa) - Der «Kronzeuge» Ivan Basso enttäuschte. Der in der Doping-Affäre Fuentes geständige Giro-Gewinner von 2006 hat am Dienstag lediglich «versuchtes Doping» zugegeben.
«Ich habe nie in meiner Karriere gedopt oder eine Eigenblut-Zufuhr vornehmen lassen. Man kann ehrlich gewinnen - so wie ich es immer getan habe», sagte er in Mailand. Im Hotel «Michelangelo» rang sich der 29- jährige Radprofi vor mehr als 100 Journalisten in einer knappen Stunde nur ein Teil-Geständnis ab. Das bei Fuentes gelagerte Blut sei für die Tour de France bestimmt gewesen.
Am Nachmittag gestand auch Michele Scarponi eine Zusammenarbeit mit Fuentes und bot der italienischen Anti-Doping-Agentur CONI wie Basso eine Kooperation an. Beiden Profis drohen zweijährige Sperren, die schon für Doping-Versuche verhängt werden können.
Der in Jeans und hellem Sporthemd in Begleitung seines Anwalts Massimo Martelli erschienene Basso gab sich zuversichtlich. «Ich werde meine Strafe absitzen und in den Radsport zurückkehren», sagte Basso, der wie Jan Ullrich vor dem Start der vergangenen Frankreich- Rundfahrt in Straßburg suspendiert worden war. «Die Zusammenarbeit mit dem mutmaßlichen Doper bezeichnete er als «schwachen Moment, den ich mein ganzes Leben bedauern werde», sagte Basso, der nach Erkenntnissen der Guardia Civil zwischen 2004 und 2006 an Fuentes 111 000 Euro überwiesen haben soll.
Ausdrücklich beruhigte er womöglich zitternde Konkurrenten und Kollegen: «Ich weiß nichts über andere Fahrer oder andere beschuldigte Sportler. Es gab keine Fragen bezüglich anderer Personen». Angeblich lagerten in Madrid 223 Blutbeutel beim mutmaßlichen Doping-Arzt Eufemiano Fuentes. Neben vermutlich bis zu 100 Radprofis sollen auch Sportler anderer Sparten zu den Kunden des Frauenarztes gehört haben. Bisher war immer nur von Radprofis die Rede und es gab lediglich einen positiven DNA-Abgleich mit neun in Madrid gelagerten Blutbeuteln Ullrichs.
Bassos früherer CSC-Team-Kollege Jens Voigt (Berlin) hofft, «dass vor der Tour die Situation in der Doping-Affäre Fuentes endlich geklärt ist, dass wir über Schuld und Unschuld Bescheid wissen». Der Sprecher der Fahrer-Gewerkschaft aus Berlin könnte sich vorstellen, dass von Basso «noch mehr kommt.» Trotz der eher enttäuschenden Auskünfte des Italieners am Dienstag will CONI-Präsident Gianni Petrucci den «Reuigen» zur «Leitfigur im Anti-Doping-Kampf» machen.
Der Radsport braucht also wahrscheinlich den Überläufer Basso wenig zu fürchten, die Verbände bauen auf einen Kronzeugen, der ein Teilgeständnis ablegte. «Basso gesteht - der Radsport zittert», titelte die italienische Sportzeitung «Tuttosport» vor den Basso-Auslassungen und schrieb von einer «historischen Wende» im Anti-Doping-Kampf, weil sich zum ersten Mal ein prominenter, noch aktiver Fahrer zum Vorreiter der Bewegung machen könnte. Diese Chance hat Jan Ullrich, der weiter schweigt, verpasst.
Der am 26. Februar zurückgetretene Ullrich wird vorerst nicht dem Basso-Beispiel folgen. Der ebenfalls in die Fuentes-Doping-Affäre verstrickte Olympiasieger von 2000 scheint seiner Linie zu bleiben - und schweigt weiter. «Was soll er gestehen?», fragte Peter-Michael Diestel, einer von sechs Ullrich-Anwälten. «Ullrich hat keinen Seitensprung begangen oder sich sonst falsch verhalten. Was Basso tut, ist dessen Sache», meinte Diestel auf dpa-Anfrage. Ullrich und seine Rechtsvertreter würden laut Diestel weiter auf die Reaktionen der Justizbehörden warten: «Wenn es eine Anklage geben sollte, reagieren wir». Ullrich drohen zwei Verfahren: Wegen Betrugs zum Nachteil seines ehemaligen Arbeitgebers T-Mobile und wegen Falschaussage.
Der Fall Basso könnte eine Kronzeugen-Regelung in Radsport-Doping- Verfahren - der WADA-Code hat unter Artikel 11,6 eine solche Praxis vorgesehen - weiter fördern. Mit diesem Modell ist die italienische Justiz bei der Mafia-Bekämpfung schon erfolgreich gewesen. Offensichtlich haben die Italiener Basso Mut zum Reden gemacht, in dem sie ihm Strafmilde in Aussicht stellten, so dass der 29-Jährige womöglich schon im Herbst 2008 an der WM in seiner Heimat-Region in Varese teilnehmen kann.
Bei Basso war CONI offensichtlich erfolgreicher als beim im Februar 2004 an einer Überdosis Kokain gestorbenen Marco Pantani. Damals sollte das wegen Dopings angeklagte Radsportidol aussagen und sich vor den Karren des Anti-Doping-Kampfes spannen. Pantani lehnte ab. «Ich hoffe, die Fahrer haben verstanden, dass jetzt eine Epoche zu Ende geht», sagte Ex-Weltmeister Francesco Moser in Hinblick auf eine ihm auch bestens vertraute «Doping-Kultur» im Radsport. Der immer noch populäre Ex-Profi forderte, dass jetzt alle Namen der in Spanien verdächtigten Fahrer auf den Tisch kommen müssen.