Wasquehal (dpa) - Lance Armstrong nimmt auf dem Weg zu seinem angepeilten Rekord keine Rücksicht. Auf der 3. Etappe schlug die «Siegmaschine» bei der 91. Tour de France das zweite Mal zu, sorgte für einen Trikotwechsel und einen hohen Zeitverlust des Mitfavoriten Iban Mayo.
Nachdem sich Jan Ullrich beim Prolog einen Rückstand von 15 Sekunden eingehandelt hatte, traf es den Spanier auf der 3. Etappe über 210 km von Waterloo nach Wasquehal noch heftiger. Der Euskaltel-Fahrer verlor auf den in der Armstrong-Gruppe fahrenden Tagessieger Jean-Patrick Nazon (Frankreich) und den im Spurt knapp geschlagenen Erik Zabel (Unna) 3:53 Minuten. Damit hat der Baske seinen Traum vom Gesamtsieg schon fast ausgeträumt.
Nicht sehr fein von dem fünffachen Toursieger und seinem Team, dass es kurz nach einem Sturz Mayos attackiert hatte, als die erste von zwei Kopfsteinplaster-Passagen angefahren wurde. Ullrich und andere Topfahrer hatten aufgepasst und begleiteten Armstrong bei seiner Attacke auf dem Parcours, der einen Mix der Frühjahrs-Klassiker Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix darstellte. Opfer der Armstrong-Aktion einen Tag vor dem Team-Zeitfahren war auch der Norweger Thor Hushovd, der sein Gelbes Trikot an den australischen Vortagessieger Robbie McEwen verlor. Seine Zeitgutschriften für den dritten Tagesrang gaben den Ausschlag.
Der wieder aufopferungsvoll kämpfende Jens Voigt rückte im Gesamtklassement auf Rang drei vor und wittert vor dem Mannschaftszeitfahren, in dem sein Team zu den Favoriten zählt, schon das Gelbe Trikot. «Ich habe eineinhalb Hände am Trikot», sagte der Berliner in Wasquehal. «Das Teamwork hat bei uns gut geklappt, auch Ullrich hat mir geholfen. Ich kann die Bergfahrer heute wegen der Kopfsteinpflasterfahrt nicht bedauern. Auf uns Sprinter nimmt auch keiner Rücksicht, wenn wir hintereinander über die höchsten Berge müssen», sagte Zabel, der sich in den Tagesklassements von Rang neun, sieben auf zwei vorgearbeitet hat.
Zum Glück für die Fahrer regnete es nicht, es herrschten sogar hochsommerliche Temperaturen. Trotzdem war das Rennen wie befürchtet unfallträchtig. Vor der ersten von zwei Kopfsteinpflaster-Passagen von insgesamt 3900 Meter Länge stürzten im Hauptfeld acht Fahrer in den Straßengraben. Unter ihnen auch Mayo, dem die Frühjahrs-Klassiker auf diesem Terrain unbekannt sind. Fünf Team-Kollegen versuchten vergeblich, ihn in anstrengender Extra- Arbeit wieder ins rasende Feld zu führen.
Im Feld ging unter der Regie des US-Postal-Teams Armstrong die Post ab. Auch Ullrich und der vorjährige Tour-Vierte Tyler Hamilton (USA) fuhren auf vorderen Positionen auf das Kopfsteinpflaster, um die gefährliche Passage relativ unbedrängt zu passieren. Nebenprodukt der Tempoverschärfung: Mayo verlor viel Zeit auf die Spitze des Feldes und der Abstand zu zwei Ausreißern schmolz.
Wie auf der ersten Etappe hatte Voigt sein Glück wieder ein Mal in der Flucht nach vorne gesucht. Der CSC-Fahrer aus Berlin hatte sich in Begleitung kurz nach dem Start auf den Weg gemacht. Unterwegs war die Ausreißergruppe zu einem Duett geschrumpft. Voigt, 2001 Etappensieger, lag zusammen mit dem Niederländer Bram de Groot in Führung. 70 km vor dem Ziel betrug ihr Vorsprung noch über fünf Minuten, so dass Voigt virtueller Träger des Gelben Trikots war. 30 Kilometer später waren sie eingeholt und durften sich nur noch im Armstrong-Express einreihen.
Sowohl der Seriensieger aus Texas als auch Ullrich haben keine praktische Paris-Roubaix-Erfahrung: Zum ersten Mal seit den 80er Jahren wehte wieder ein Hauch von «Hölle des Nordens» bei der Tour. «Ich weiß, viele kritisieren das, weil es zusätzlich Gefahr bringt. Aber ich finde es Okay, weil es zur Tradition des Radsports gehört», hatte Armstrong am Start erklärt.
Nach dem Prolog wird es beim nun anstehenden Mannschafts-Zeitfahren über 64,5 km von Cambrai nach Arras weitere Abstände zwischen den Topfavoriten geben. Nach den Wettervorhersagen könnte Regen am Nachmittag die Fahrt der Teams bremsen und zusätzlich gefährlich machen.
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