Frankfurt (rad-net) - Am 23. Juli werden die Olympischen Spiele von Tokio eröffnet. Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) wird in den vier Disziplinen Bahn, BMX, Mountainbike und Straße um olympisches Edelmetall kämpfen. In den kommenden Wochen stellen wir alle Olympia-Kandidaten des BDR vor. In der heutigen Folge präsentieren wir Lisa Klein, die in Tokio sowohl auf der Bahn als auch auf der Straße starten will.
Als Lisa Klein 2017 in Erfurt Deutsche Straßen-Meisterin wurde, war das eine Bestätigung ihrer Leistungsentwicklung, die sie seit Juniorinnen-Zeiten genommen hat. Sie war erst 20 Jahre alt, als sie die große Favoritin Lisa Brennauer im Zielsprint mit einem Tigersprung auf den zweiten Platz verdrängte. Und es war ein weiterer Meilenstein in der Karriere der ehrgeizigen Saarländerin und das Ergebnis konsequenter, zielorientierter Arbeit im Radsport.
Wenn Lisa Klein ein Ziel verfolgt, dann arbeitet sie hart dafür, ohne Kompromisse. Dann werden im Kraftraum Gewichte gestemmt, auf der Straße Kilometer gebolzt, auf der Bahn Feinabstimmungen justiert. Klein überlässt nichts dem Zufall. Sie ist extrem ehrgeizig und willensstark. Aber sie ist auch manchmal ungeduldig, will zu schnell zu viel, ist dann enttäuscht. Mit den Jahren wird sie aber weiter an Routine gewinnen und auch Grenzsituationen noch besser meistern.
Ihre Freizeit verbringt sie gern mit der Familie und Freunden. Erfurt ist längst zur zweiten Heimat der 23-Jährigen geworden. Und für einen gute Kaffee läuft oder fährt sie auch schon Mal einen Umweg.
Ihre Karriere begann Lisa Klein bereits mit zehn Jahren und erntete in den Nachwuchsklassen erste Erfolge auf Bahn und Straße. Nach einigen Medaillen in der Jugend- und Juniorenkasse bejubelte sie 2015 ihre erste U23-Medaille bei der Bahn-EM, als sie zusammen mit Mieke Kröger, Gudrun Stock und Anna Knauer Zweite mit dem Vierer wurde. Mit Kröger und Stock fährt sie auch heute noch zusammen in der Eliteklasse. Ihre erste Straßenmedaille gewann Lisa Klein 2016 bei der Straßen-EM in der Bretagne, wo sie Bronze im Einzelzeitfahren in der Kategorie U23 gewann. Zwei Jahre später holte sie in der gleichen Disziplin Silber und wurde im Herbst zum ersten Mal Weltmeisterin. Mit ihrer Mannschaft Canyon-Sram jubelte sie in Innsbruck über Gold im Mannschaftszeitfahren der Profi-Teams.
Ihre erfolgreichste Saison aber fuhr sie 2019, auch wenn sie dort keine Goldmedaille gewann. Aber keine deutsche Athletin trug am Ende des Jahres so viele Medaillen um den Hals wie Lisa Klein: WM-Silber beim erstmals ausgetragenen Mixed-Staffel-Zeitfahren zusammen mit Lisa Brennauer, Mieke Kröger, Tony Martin, Jasha Sütterlin und Nils Politt. Das deutsche Sextett gewann schon bei der Straßen-EM einige Wochen zuvor in Alkmaar Silber in der Mixed-Staffel. Wieder am Start: Lisa Klein, für die diese Titelkämpfe in der niederländischen Käsestadt die erfolgreichsten ihrer Laufbahn waren: Drei Starts, drei Medaillen, das schaffte sonst keine. Neben dem Erfolg mit der Mannschaft gewann die Saarbrückerin auch Silber im Einzelzeitfahren hinter Titelverteidigerin Ellen van Dijk, die zum vierten Mal Europameisterin wurde. Und im Straßenrennen erkämpfte sich Klein die Bronzemedaille. Und im Herbst ging es bei der Bahn-EM weiter: In Apeldoorn holte das deutsche Frauen-Vierer Silber, im Februar gewann Klein schon Bronze in der Einerverfolgung bei der Weltmeisterschaft im polnischen Pruszkow. Das macht in der Summe: Sechsmal Edelmetall für die Powerfrau, die außerdem auf der Straße den Gesamtsieg in der Healthy Ageing Tour sowie der BeNe Ladies Tour feierte und einen Etappensieg in der Thüringen-Rundfahrt holte. Und dann gewann sie beinahe so nebenbei den Deutschen Meistertitel im Einzelzeitfahren auf der Straße und wurde Zweite im Straßenrennen hinter Lisa Brennauer, mit der sie oft zusammen im Vierer am Start steht. Den Kampf gegen die Uhr auf der Straße, das ist die Lieblingsdisziplin von Klein.
Im Corona-Jahr 2020 jubelte Klein bei den Europameisterschaften in Plouay, wo sie mit der Mannschaft Gold im Teamzeitfahren auf der Straße gewann.
Ein sehr emotionaler Moment ihrer Karriere war auch der Gewinn der Bronzemedaille mit dem Vierer bei den Weltmeisterschaften vor heimischem Publikum Ende Februar 2020 in Berlin. «Wir haben bewiesen, dass wir mit die besten Verfolgerinnen der Welt sind. Nach heute und nach der Vorstellung im Vierer wissen wir, was wir können. Darum kann unser Ziel nicht sein, eine Medaille in Tokio zu gewinnen, wir müssen nach Gold greifen!», machte sie in Berlin eine klare Ansage. Und die gilt auch noch heute, eineinhalb Jahre nach Berlin. In Tokio möchte Lisa Klein einen weiteren Glanzpunkt in ihrer ohnehin schon sehr erfolgreichen Karriere setzen.
Zehn Fragen an Lisa Klein:
Was war für dich dein bisher schönster sportlicher Erfolg?
Etappensieg beo der Thüringen-Rundfahrt 2019 und die drei Medaillen bei der Straßen-EM in Alkmaar.
Was motiviert dich?
Die Leidenschaft am Radfahren, am Reisen, mein Team Canyon-Sram, beziehungsweise meine Renn-Familie.
Welche Vorbilder hast du?
Sportlich Kristina Vogel, ihre Willenskraft, ihren Kampfgeist, ihre Bodenständigkeit. Privat meine Eltern.
Deine Lieblingsfächer in der Schule?
Nicht vorhanden! Schule war nicht meine Lieblingsbeschäftigung. Wollte lieber aufs Rad und mich austoben.
Dein Lieblingsessen?
Kuchen mit einem guten Kaffee.
Nenne deine persönliche Stärke und Schwäche?
Willensstark – Ungeduld.
Auf was möchtest du nie verzichten?
Meine Familie.
Welchen Traum möchtest du dir im Leben noch erfüllen?
Viele. Weltmeisterin zu werden. Die Welt erkunden. Private Träume.
Was ist für dich ein perfekter Tag?
Entspanntes Frühstück, ab aufs Rad, Kaffee, entspannen und einen schönen Abend mit Freunden oder Familie. Grillen im Sommer.
Gibt es eine Art Lebensmotto?
Wenn du alles gibst, kannst du dir nichts vorwerfen.
Steckbrief Lisa Klein
Team: Canyon-Sram
Geburtstag: 15.07.1996 in Saarbrücken
Größe/Gewicht: 1,69 m/61 kg
Wohnort: Erfurt
Erfolge:
2013: 1. U19-DM Berg, 2. U19-DM Straße, 2. U19-DM Einzelzeitfahren
2014: 2. U19-WM Einerverfolgung, 2. U19-WM Punktefahren, 5. U19-WM Straße, 1. U19-DM Straße, 1. U19-DM Einzelzeitfahren
2015: 2. U23-EM Mannschaftsverfolgung
2016: 3. U23-WM Mannschaftsverfolgung, 3. U23-EM Einzelzeitfahren, 1. DM Einerverfolgung
2017: 3. U23-EM Einzelzeitfahren, 5. U23-EM Straße, 1. DM Straße
2018: 2. U23-EM Einzelzeitfahren, 3. DM Einzelzeifahren, 1. WM Mannschaftszeitfahren, 1. DM Omnium 2. BeNe-Ladies-Tour
2019: 2. EM Mannschaftsverfolgung, 3. WM Einerverfolgung, 2. WM Straße Mixed-Staffel, 2. EM Straße Mixed Staffel, 1. DM Einzelzeitfahren, 1. BeNe Ladies Tour, 1. Healthy Ageing Tour, Etappensieg Thüringen-Rundfahrt
2020: 4. WM Einerverfolgung, 3. WM Mannschaftsverfolgung
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