Berlin (dpa) - «Mister 60 Prozent»: Diesen Spitznamen hat sich Bjarne Riis 1996 bei seinem ein Jahr vorher angekündigten Tour-de-France-Sieg, der nach seinem Doping-Geständnis jeden Glanz verlor, hart erkämpft.
Der ehemalige Telekom-Masseur Jef d'Hont präzisierte in seinem Enthüllungsbuch über offensichtlich Flächen deckendes Doping im Telekom-Team in Sachen Riis: 64 Prozent hätte der Hämatokritwert des damaligen Telekom-Stars aus Herning bei seinem Toursieg betragen. Eine absolut lebensbedrohende Marke, die den Anteil der roten, Sauerstoff transportierende Blutkörperchen angibt.
Riis, in dessen Sog vor elf Jahren Jan Ullrich bei seinem Tour- Debüt Rang zwei belegte und seinen Chef und alle anderen im abschließenden Zeitfahren schlug, sei sogar stolz auf diesen durch EPO-Zufuhr gestiegenen Wert gewesen. Bei seinem Doping-Geständnis widersprach Riis am Freitag dieser Version, als ob es die Wertung seiner moralischen Verfehlung beeinträchtigen würde: «Ich hatte über 50 Prozent, aber niemals 64.»
Das damals schwächelnde Telekom-Team wartete zum Saisonende 1995 mit der Verpflichtung des langen Dänen auf. Bei seinem Antritt im November verblüffte er die versammelte Presse mit der Mitteilung: «Ich weiß, wie ich Miguel Indurain schlagen kann. Ich gewinne im kommenden Jahr die Tour.» Er hielt Wort beendete den fünf Jahren währenden Siegesszug des Spaniers Indurain und sicherte damit wahrscheinlich den Fortbestand des Teams aus Bonn, das damals schon auf das Kommando des von d'Hont ebenso beschuldigten Managers Walter Godefroot hörte. Ab Freitag steht fest: Der erste Toursieg eines Dänen basierte auf Lug und Trug und EPO.
Bei seinem denkwürdigen Auftritt im neuen Team wurde Riis auch direkt auf damals aufkommende Gerüchte über den in Italien weit verbreiteten Gebrauch eines neuen Doping-Mittels mit Namen EPO angesprochen. Riis antwortete im Herbst 1995 mit breitem Grinsen: «Was soll ich dazu sagen, meine Herren?» Er wechselte vom italienischen Team Gewiss-Ballan, das in den Frühjahrs-Klassikern die Konkurrenz auf wundersame Weise in Grund und Boden gefahren hatte, als Tour-Dritter nach Bonn.
Seit seinem spektakulären Erfolg in Frankreich im Alter von 31 Jahren musste sich Riis gegen Doping-Verdächtigungen verteidigen. Schlüssige Beweise konnten gegen den smarten Dänen, der bei der Tour 1997 erst den enormen Mediendruck auf sich nahm und den unbedarften Ullrich damit entlastete, um dann für seinen jugendlichen Nachfolger sogar Edel-Helferdienste auf der Straße zu verrichten, nie auf den Tisch gelegt werden. Der erste Toursieg eines deutschen Radprofis gehörte zu gewissen Teilen sicher auch Riis, der zwei Jahre später Telekom verließ.
Ab 2002 trat Riis zum ersten Mal bei der Tour als Teamchef der neuen Formation CSC-Tiscali auf. Er belegte mit seinem Team auf Anhieb Rang drei der Mannschaftswertung und machte sich im nächsten Frühjahr verdächtig, als sich seine Mannschaft, dem auch Jens Voigt und Jörg Jaksche angehörten, als imposante Frühstarterin präsentierte.
Nach dem Tour-Skandal um Ullrich und dem CSC-Kapitän Ivan Basso im Vorjahr setzte sich Riis an die Spitze der Anti-Doping-Bewegung. Im Winter präsentierte er sich mit dem unabhängigen und international renommierten «Doping-Wächter» Rasmus Damsgaard an der Spitze als Anti-Doping-Kämpfer. Der Sponsor hatte darauf gedrungen und stellte die Extra-Finanzen dafür bereit.