Riva del Garda (dpa) - Tony Martin liefert beim Giro seine stärkste Leistung nach langer Zeit - am Ende reicht es beim Zeitfahren in Rovereto zwar nicht ganz zum Sieg. Die Vorstellung macht dem 33-Jährigen und seinem Team Katusha aber Mut. Auch im Hinblick auf seine zehnte Tour.
Den Weltmeister Tom Dumoulin bezwungen, auch den Tour-Triumphator Chris Froome und den ehemaligen Stunden-Weltrekordler Alex Dowsett: Radprofi Tony Martin, der bei seinem vierten WM-Titelgewinn 2016 in Doha sein letztes großes Zeitfahren gewann, sieht nach seinem zweiten Platz beim Giro-Zeitfahren in Rovereto wieder Licht am Ende des Tunnels. Auch wenn der große Coup nicht gelang.
«Ich denke, die Steigerung in der Performance ist zu sehen. Darauf muss ich aufbauen und weiter kämpfen», sagte der 33 Jahre alte Wahlschweizer, der sich im Ziel der 16. Giro-Etappe nur dem Australier Rohan Dennis beugen musste.
Dabei hatte Martin, der schon viele Monate nicht mehr so stark beim Kampf gegen die Uhr wirkte, vielleicht auch schon die am 7. Juli beginnende Tour de France im Visier - seine zehnte. Nach einem sehr durchwachsen verlaufenen Frühjahr hatte er im Hinblick auf seinen Frankreich-Start vor Beginn des Giros erklärt: «Die Mannschaft rechnet mit mir.»
Vielleicht kann er seine Tour-Bilanz - fünf Etappensiege, zwei Tage in Gelb - noch einmal aufpolieren. Gnadenlose Schinderei ist dafür Pflicht. In Rovereto war Martin nach den 34,2 Kilometern fix und fertig, sein Oberkörper pumpte, er rang nach Luft. Martin hatte die letzte Energie aus sich herausgeholt und wurde umgehend in den abgesperrten Bereich am Ziel gebracht, wo er auf dem «heißen Stuhl» stundenlang vom Sieg träumen durfte. Dann fuhr sein Angstgegner Dennis Bestzeit.
«Das war auf jeden Fall ein Schritt nach vorne und gibt auch Hoffnung für die Tour», sagte Katusha-Teamsprecher Falk Nier, der auf entscheidende Neuerungen hinwies: «Beim Auftakt-Zeitfahren in Jerusalem und hier in Rovereto haben wir mit einem neuen Rennanzug mit Waben-Struktur experimentiert. Der hat sich bewährt.»
Abgesehen vom deutschen Meistertitel 2017 hat Martin seit dem letzten seiner vier WM-Titel vor zwei Jahren kein einziges Zeitfahren mehr gewonnen. Sein letzter Etappenerfolg stammt vom Februar 2017, als er dem Feld auf den letzten Kilometern bei dem spanischen Etappenrennen Volta a la Comunitat Valenciana davonfuhr und dabei auch seine Kämpfer-Qualitäten als Zeitfahrer unter Beweis stellte.
Dieses Szenario hatte er sich auch für den Giro vorgenommen - zwei Versuche scheiterten bisher. Er wird es weiter probieren, spätestens in Frankreich. Die 9. Etappe von Arras auf Kopfsteinpflaster nach Roubaix dürfte Martin besonders liegen. Auf ähnlichem Terrain hatte er 2015 zum großen Schlag ausgeholt und war ins Maillot Jaune gefahren.