Utrecht (dpa) - Die Trauerarbeit nach der Pleite zum Tour-Auftakt im tropisch heißen Utrecht war nur von kurzer Dauer. Tony Martin hat das in seiner Paradedisziplin knapp verpasste erste Gelbe Trikot seiner Karriere weiter im Hinterkopf.
«Die Chance ist in den nächsten Tagen noch groß», sagte der 30 Jahre alte Wahlschweizer, nachdem der erste Ärger über den Fünf-Sekunden-Rückstand auf Rohan Dennis im Einzelzeitfahren etwas verflogen war. Der Australier war mit neuem Tour-Geschwindigkeits-Rekord von 55,44 Stundenkilometern zum Sieg auf der ersten Etappe gerast, womit er Chris Boardmans 21 Jahre bestehende Marke verbessert hatte.
Auch Rolf Aldag, der Sport- und Entwicklungs-Manager des belgischen Etixx-Quick Step-Teams, der zusammen mit Martin den magischen 4. Juli generalsstabsmäßig geplant hatte, wollte den «Schwarzen Samstag» schnell abhaken. «Tony ist weit davon entfernt, depressiv zu werden», sagte der Ex-Profi, der zusammen mit seinem Schützling die bisherige Saison ganz auf den «Grand Départ» in Utrecht ausgerichtet hatte.
Mit dem ersehnten Gelb wurde es auch deshalb nichts, weil Martin Temperaturen von 37 Grad besonders zusetzten. «Die Hitze hat mich abgetötet. Ich bevorzuge liebe kühlere Bedingungen, aber das soll keine Entschuldigung sein», sagte der dreimalige Zeitfahr-Weltmeister. Ebenso sei der ominöse Pappbecher nicht schuld am verpassten Sieg. Der Becher war ihm ins Hinterrad geflogen, kostete laut Aldag aber nicht viel Zeit.
Martin muss jetzt die Kurve kriegen und sich andere Ziele setzen. Da könnte der Montag der entscheidende Tag für ihn sein. An der gefürchteten Mauer von Huy im Ziel der dritten Etappe könnte Martins Stunde schlagen. Wenn er auf der Zielsteigung des belgischen Klassikers Flèche Wallonne mit den Besten mitgehen und Dennis abschütteln kann, erscheint Gelb möglich.
Aldag macht sich und seinem Schützling jedenfalls Mut: «Tony kann praktisch jede Tour-Etappe gewinnen. Er hat fast mal auf dem Mont Ventoux gewonnen, siegte in den Vogesen und in Zeitfahren.» Seine Pflichten, auch eine entscheidende Rolle im Sprintzug für Ex-Weltmeister Mark Cavendish zu spielen, kommen seinen eigenen Interessen entgegen, vor dem möglichen Showdown in Huy keinen Boden zu verlieren.
Nach abgeschlossener Fehler-Analyse auch durch den Teamarzt Helge Rieppenhof herrschte am Sonntag vor dem Start der zweiten Etappe auf dem Croselaan in Utrecht am Etixx-Teambus routinierte Betriebsamkeit. Martin gab wie immer freundlich ein paar Autogramme und fuhr zum Einschreiben. Die Hektik dürfte steigen, falls Martin in den nächsten Tagen sein Teamtrikot gegen das Maillot Jaune tauschen sollte.