Florenz (dpa) - Tony Martins Mutter saß bei der Sieger-Pressekonferenz in der dritten Reihe und umklammerte ganz fest das Regenbogentrikot. Ihr blitzschneller Sohn hatte es wieder - zum dritten Mal - geholt und strahlte über das ganze Gesicht.
«König Martin III.», titelte am Donnerstag die «Gazzetta dello Sport» und lobte den 28 Jahre alten Zeitfahr-Weltmeister in höchsten Tönen. Kein Wunder, dass sich Martin nach seinem Titel-Hattrick nicht mehr daran erinnern wollte, dass er bei der vergangenen Tour de France das bevorstehende Ende seines Spezialistentums angekündigt hatte.
«Meine Fähigkeiten im Zeitfahren lasse ich mir nicht nehmen», sagte er nach seiner Triumphfahrt mit einem Stundenmittel von 52,9 über eine Distanz von 57,9 Kilometer. Und um das zu untermauern, erklärte er weiter: «Mein großes nächstes Ziel ist Olympia». Die zwei Tage vor dem Tourzeitfahren in Mont-Saint-Michel von Teamarzt Helge Riepenhof und Martin formulierten Umschulungspläne, die mit einer radikalen Diät und geändertem Training einhergehen müssten, tat der zweifache Goldmedaillengewinner von Florenz am Mittwoch als «Gerüchte» ab.
«Tony hat den 'Motor', um die Tour zu gewinnen. Das beweist er im Zeitfahren. Er muss seine großen Muskelpakete an den Oberschenkeln verringern», hatte Riepenhof im Juli erklärt und dies zwei Wochen vor der WM noch einmal bekräftigt. Martin schien im Juli bereit zur bevorstehenden Metamorphose. «Ich würde es gerne noch einmal versuchen, auf Gesamtwertung zu fahren. Ich werde dann wohl abnehmen müssen. Etwa vier Kilo müssen weg», sagte er vor zwei Monaten.
Wahrscheinlich schreckt ihn die Vorstellung, sich den «Hungerhaken» (Martin) wie Toursieger Christopher Froome und Co. annähern zu müssen, um besser über die Berge zu kommen - noch dazu ohne Erfolgsgarantie. Bei selber Körpergröße wie Martin wog der Brite bei der Frankreich-Rundfahrt rund neun Kilo weniger. Inzwischen ist der dreifache Zeitfahr-Weltmeister vom «Idealgewicht» der Klassementsfahrer noch weiter entfernt, weil mehr Muskeln auch mehr Kraft bedeuten. Die warf er bei seinem Husarenritt von Florenz erfolgreich in die Waagschale.
Logisch - beim Feiern am Abend in einer kleinen Pizzeria mit Teamkollegen, angereisten Freunden und Mutter Bettina war das kein Thema für Martin, der mit seinen Eltern vor dem Mauerfall aus der Lausitz nach Hessen geflüchtet war. Sein Manager Jörg Werner versuchte eine Einordnung. «Das muss man sich gut überlegen. Welcher Aufwand ist nötig, um mit sauberen Mitteln dorthin zu kommen und welche Erfolgsaussichten bestehen gegen die Elite der Klassementsfahrer wie Froome, Nibali oder Contador. Oder ist es besser, zu sagen: Schuster bleib bei deinen Leisten?», sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Werner nannte Ende Oktober als Termin für eine Festlegung, wohin Martin in Zukunft steuert. «In der Pause nach seiner Kahnbein-Operation sehen wir weiter». Sein letztes Saisonrennen bestreitet Martin, der Florenz am Donnerstag schon verließ, vom 11. bis 15. Oktober bei der Peking-Rundfahrt. Auch dort tritt er als Vorjahressieger an.