Grächen (rad-net) - Die Marathon-Weltmeisterschaften in Grächen (Schweiz) markieren am Sonntag den letzten Höhepunkt der Saison. 41 deutsche Männer und 16 Frauen, angeführt von den gerade erst gekürten Marathon-Meistern Janine Schneider und Sascha Weber, gehen auf die 95, beziehungsweise 70 Kilometer mit langen Kletterpartien. Für Sabine Spitz ist es gleichzeitig der letzte Auftritt als Leistungssportlerin und ihre insgesamt 36. WM.
«Es gibt sicher grundsätzlich andere Favoritinnen auf dem Kurs», sagt Sabine Spitz zu ihren Aussichten bei ihrem letzten WM-Auftritt. Auf den 70 Kilometern der Frauen (Start 9 Uhr) sammeln sich im Wallis 3500 Höhenmeter an.
Nachdem es vom Start weg erst mal wellig und dann etwa bis Kilometer 20 bergab geht, sind es im Wesentlichen für die Damen zwei längere Anstiege. Einmal – mit einer kurzen Abfahrt dazwischen – rund 14 Kilometer und einmal 19 Kilometer, auch mit einer Delle im Profil. Wenn es dann wieder nach unten geht, sind es nur noch zwei Kilometer bis ins Ziel.
«Das wird sicherlich eines meiner härtesten Rennen», glaubt Adelheid Morath, der im Gegensatz zu Spitz lange Anstiege entgegenkommen. Die Freiburgerin hat mit Swiss Epic, WM und Weltcup-Finale in Übersee ein hartes Programm hinter sich und deshalb versucht, sich so gut wie möglich zu erholen.
Die deutsche Meisterin Janine Schneider (German Technology Racing) will «komplett entspannt in eines der letzten Rennen der Saison» gehen. Mit dem DM-Titel und anderen Erfolgen hat sie in diesem Jahr schon mehr erreicht, als zu erwarten war. «Die Strecke ist auch technisch anspruchsvoll. Deshalb wird es wichtig sein, dass ich fokussiert fahren kann», so Schneider. «Wenn ich weiß, ich habe alles gegeben, dann ist mein Ziel erfüllt.»
Ex-Marathon-Meisterin Elisabeth Brandau (Radon EBE-Racing) hat es sich lange offen gelassen, ob sie in der Schweiz an den Start geht. «Das letzte Mal bin ich 2014 bei der Sella Ronda was mit so vielen Höhenmetern gefahren, das war vor der Geburt meiner Kinder», erklärt Brandau. «Wegen meinem Steißbein habe ich immer noch Probleme mit dem Schlafen. Ich werde versuchen, das Rennen mit Spaß anzugehen.»
Auf ein bestimmtes Resultat zu spekulieren ist auch schwierig, denn Marathon-Spezialisten treffen während der Saison normalerweise nicht so geballt aufeinander wie bei der WM. Und schon gar nicht auf die Cross-Country-Spezialisten, von denen sich einige bei den Weltmeisterschaften ja auch immer unter das diesmal 81-köpfige Völkchen mischen.
Zum Beispiel ist da auch ein interessanter «Rookie»: Cross-Country-Weltmeisterin Pauline Ferrand Prevot (Canyon) wird mit am Start sein – ohne jegliche Vorerfahrungen auf der Langdistanz. An der Form dürfte es der Französin sicher nicht fehlen, auch wenn die letzten Wochen kräftezehrend waren.
Interessanterweise fehlen bei den Damen alle drei Medaillengewinnerinnen des Vorjahres. Titelverteidigerin Annika Langvad (Specialized Racing) aus Dänemark beschloss schon vor längerer Zeit, nicht auf die Jagd nach ihrem siebten Titel und dem vierten in Serie zu gehen. Christina Kollmann-Forstner wurde wegen Dopings gesperrt, Maja Wloszczowska verzichtet und die durch das Urteil gegen Kollmann-Forstner auf den Bronzerang aufgerückte Gunn-Rita Dahle-Flesjaa hat ihre Karriere beendet.
Herren: Ohne Titelverteidiger Avancini
Bei den Herren (Start 10 Uhr) ist es ähnlich schwer Favoriten auszumachen. In Abwesenheit von Vorjahressieger Henrique Avancini (Cannondale Factory Racing) könnte Daniel Geismayr ein Kandidat sein. Der Österreicher von oberschwäbischen Team Centurion-Vaude hat nach Bronze in Singen 2017 und Silber in Auronzo di Cadore 2018 eigentlich nur eine Farbe übrig. Und schon 2018 war es ziemlich knapp. Es waren nur zwei Sekunden, die zum Trikot fehlten.
Cross-Country-Vizeweltmeister Mathias Flückiger (Thömus RN) aus der Schweiz war schon 2018 Vierter und hat sich diesmal etwas besser vorbereitet. Sein Landsmann Urs Huber (Team Bulls) ist gut drauf, was er vergangene Woche mit seinem Sieg beim La Forestiere noch mal unter Beweis stellte. Dessen österreichischer Teamkollege, der dreifache Weltmeister Alban Lakata, hat zwar keine besonders starke Saison hinter sich, doch wer dreimal den Titel holte... Man könnte noch mehr als eine Hand voll aufzählen. Einer, der es wissen muss, sagt schlicht: «Es gibt keinen Favoriten.»
Es ist der deutsche Meister Sascha Weber (Maloja-Rocky Mountain). Er selbst will die bisher stärkste Saison seiner Karriere mit einem entsprechenden WM-Ergebnis abschließen. Sich auf eine Platzierung festzulegen, ist nicht sein Ding. «Ich bin gesund, gut vorbereitet und die Strecke habe ich mir auch schon angeschaut. Sie sollte mir liegen», sagt der Wahl-Freiburger. «Am Ende vom Tag wird dort der Beste gewinnen, es werden keine Geschenke gemacht. Berg hoch nicht und Berg runter auch nicht. Wie ich Mitte September drauf bin, wird man sehen.»
Er verweist darauf, dass man auf den letzten 15 Kilometern ohne weiteres alles noch verspielen kann, weil es nach dem letzten Anstieg nur noch zwei Kilometer bis ins Ziel sind.
Die Herren haben eine 95-Kilometer-Distanz vor sich und einen 10-Kilometer-Buckel mehr zu bewältigen. Bei ihnen summieren sich die Höhenmeter auf beeindruckende 4000.
Vize-Meister Julian Schelb (Stop&Go Marderabwehr) kommt das Profil sicherlich auch entgegen. Er kann sowohl gut klettern, als auch schnell bergab fahren. Er hofft aus einer hinteren Startposition möglichst am ersten Anstieg weit genug nach vorne zu kommen. «Sonst ist der Zug abgefahren, danach ist es sehr lange einspurig», sagt Schelb. Also Singletrail. Wenn ihm das gelingt, könnte es «gut gehen», meint Schelb.
Simon Stiebjahn (Team Bulls), DM-Bronzemedaillengewinner, laborierte vergangene Woche an einem Infekt. «Mal schauen, was sich daraus ergibt», meint Stiebjahn achselzuckend. Teamgenosse Karl Platt hat rechtzeitig zur WM die Form in die richtige Richtung gelenkt, wie Rang zwei beim La Forestiere belegt.
Auch Andreas Seewald (Rocklube) hat dort als Dritter, wenn auch mit acht Minuten Rückstand auf Urs Huber, den Härtetest bestanden. Seewald war im Vorjahr als Achter bester Deutscher.
Markus Kaufmann (Texpa-Simplon) kann mit solch langen Anstiegen eigentlich viel anfangen. Wie weit er nach einer Durststrecke im ersten Halbjahr und hoher Arbeitsbelastung schon wieder an seine Top-Form herangekommen ist, wird sich zeigen.