Durach (rad-net) - Lisa Brennauer, eine der erfolgreichsten deutschen Radsportlerinnen aller Zeiten, hat ihren Rücktritt vom aktiven Leitungssport erklärt. Die European Championships in München werden ihre letzten Wettkämpfe sein.
«Ich habe mich entschlossen, den aktiven Teil meiner Karriere nach den Europameisterschaften in München zu beenden. Eine solche Entscheidung trifft man nicht über Nacht, sie ist Teil eines längeren gedanklichen Prozesses», erklärte die Radsportlerin. «Mit den vielen Erfolgen im vergangenen Jahr, die ich alleine und im Team erreicht habe, möchte ich mich verabschieden. Ich schaue auf zwei Jahrzehnte Radsport zurück. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mit sehr wenigen sportlichen Rückschlägen so viele Erfolge feiern durfte. Der Dank gilt vielen Menschen um mich herum. Menschen, welche mich unterstützt und aufgefangen haben, aber auch motiviert haben. Dazu gehört auch Kritik.»
Ihre Profikarriere begann Brennauer bei der Equipe Nürnberger, wechselte dann zur Hitec Products-UCK. Der Durchbruch gelang ihr allerdings erst beim Team Specialized-lululemon, dem Vorgänger des heutigen Canyon-Sram-Teams. «Der damalige Bundestrainer Thomas Liese hatte mir Lisa seinerzeit empfohlen und meinte, 'sie musst du nehmen, sie ist ein Riesentalent'. 2012 kam sie dann zu uns, aber Ende des Jahres habe ich bei einer Rundfahrt in Belgien gesagt, entweder du gibst Gas, oder wir müssen uns trennen. Sie hat sich dann mit einer Wahnsinnsleistung in Geraardsbergen aufs Podium gefahren und unsere Zusammenarbeit dauerte sechs tolle Jahre. Lisa hatte anfangs Selbstzweifel, mit Hilfe unseres Trainers Andreas Lang hat sie viel Selbstbewusstsein erlangt und wurde immer erfolgreicher», erinnert sich ihr damaliger Sportlicher Leiter, Ronny Lauke.
Nach einigen Podestplätzen, konnte sie 2013 bei der französischen Tour Languedoc Roussillon ihren ersten internationalen Profisieg feiern - im Zeitfahren. Kurz darauf wurde sie auch erstmals Deutsche Zeitfahrmeisterin in der Elite-Klasse und Ende September krönte sie sich mit ihrem Profiteam Specialized-lululemon zum ersten Mal zur Weltmeisterin im Mannschaftszeitfahren. Von da an ging ihre Karriere steil nach oben. Seitdem verging kein Jahr ohne einen großen Sieg.
In 15 Jahren gewann die Allgäuerin 24 Welt- und Europameisterschafts-Medaillen, ist Olympiasiegerin mit dem Bahnvierer, ist 14-fache Deutsche Meisterin. Auf der Bahn hat sie insgesamt sechsmal Gold, fünfmal Silber und dreimal Bronze bei Welt- und Europameisterschaften gewonnen. Die 34-Jährige war außerdem in verschiedensten Disziplinen fünfmal Weltmeisterin auf der Straße, gewann viermal Silber und zweimal Bronze, war fünfmal Deutsche Zeitfahrmeisterin, viermal Champion im Straßenrennen. Hinzu kommen Etappen- und Gesamtsiege in großen Rundfahrten. Lisa Brennauer war mehr als ein Jahrzehnt der Dauerbrenner im deutschen Radsport.
Immer motiviert, immer einsatzbereit und hoch konzentriert: Was Brennauer auszeichnet, ist ihre Verlässlichkeit und ihre stetige Bereitschaft, immer wieder Höchstleistungen zu bringen und sich für andere einzusetzen. Sie ist Teamplayerin und Vorbild für viele.
Entsprechend war die 34-Jährige in den vergangenen Jahr stets auch wichtiger Halt für ihre Mitstreiterinnen. So sagte beispielsweise Franziska Brauße, die gemeinsam mit Brennauer Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin im Vierer wurde: «Lisa war für uns immer die 'Mutti', die den Haufen zusammenhält. Sie hat für jeden ein offenes Ohr, ist für jeden da, wenn sie gebraucht wird, egal wieviel Stress sie gerade selbst hat. Ein großes Plus ist, dass sie ihre Erfahrungen auch immer weitergegeben hat.» Und Lisa Klein, ebenfalls Teil des deutschen Bahn-Vierers, erklärte: «Lisa ist eine absolute Teamplayerin, unendlich wertvoll für die Mannschaft. War sie am Start dann wusste man, es läuft. Was sie für den deutschen Radsport getan hat, ist unerreicht. Dass sie geht, ist echt schade. Aber unsere gemeinsamen Erfolge werden uns für immer verbinden.» Dem konnte auch Frauen-Bundestrainer André Korff zustimmen: «Lisa war stets das Zugpferd in der Mannschaft, ob auf der Bahn oder auf der Straße. Was sie gemacht hat, haben die anderen abgeguckt. Lisa ist kollegial, immer fair, immer geradeaus. Hatte man mit ihr etwas abgestimmt, dann lief das, zu 100 Prozent.»
BDR-Präsident Rudolf Scharping dankte Brennauer für ihren stetigen Einsatz und die Erfolge, die den deutschen Frauenradsport um einiges vorangebracht haben: «Lisa Brennauer ist und bleibt eine großartige Botschafterin des deutschen Radsports, über ihre aktive Zeit hinaus. Über mehr als ein Jahrzehnt hat sie internationale Erfolge gefeiert. Herausragend ist dabei der Olympiasieg mit dem Vierer vor einem Jahr in Tokio. Sie hat Verantwortung übernommen; war Vorbild und Zugpferd gleichermaßen. Der Radsport hat Lisa Brennauer viel zu verdanken. Wir wünschen ihr für die Zukunft nur das Beste und hoffen, dass sie dem Verband auch nach ihrer Karriere erhalten bliebt.»
Auch nach ihrer aktiven Laufbahn will sie dem Radsport treu bleiben: «Die Freude und Liebe zum Radsport steht für mich über allem. Und so wird der Radsport – neben der Familie – auch meine Zukunft mitbestimmen. Radsport hat mich als Mensch geprägt. Ich habe gelernt im Team Ziele zu verfolgen, sich gemeinsam aus Niederlagen herauszukämpfen, mich selbst und andere zu motivieren das Beste aus sich herauszuholen. Ich habe erfahren dürfen was man alles erreichen kann, wenn man den Willen hat, hart und konsequent zu arbeiten. Eigenschaften und Werte, welche mich auch über den Sport hinaus mein Leben lang begleiten werden. Für all dies bin ich unendlich dankbar.»