Berlin (dpa) - Linus Gerdemann tritt als Musterschüler auf, den sich wohl jeder Sponsor nur wünschen kann: Erfolgreich, freundlich, glaubwürdig und nicht diskussionsscheu.
Mit diesem Persönlichkeits- Profil hat der 25-jährige Westfale selbst in der Problem-Branche Radsport keine Angst vor Arbeitslosigkeit - auch wenn sein aktueller Arbeitsplatz im Team T-Mobile akut gefährdet scheint. «Die Zukunft dort ist derzeit sehr ungewiss. Aber es wäre jammerschade, wenn die guten Ansätze des Anti-Doping-Kampfes, den T-Mobile unter dem neuen Management in diesem Jahr gezeigt hat, durch einen Ausstieg kaputt gemacht würden», sagte der von Freiburg in die Schweiz gezogene Gerdemann. Sein strahlendes Siegerfoto vom 14. Juli 2007 ist quasi als Unbedenklichkeits-Zeugnis im offiziellen Heft der Tour de France 2008 zu sehen.
Um sein persönliches, sportliches Fortkommen hat Gerdemann keine Sorge: «Ich hätte, glaube ich, kein Problem, ein Team zu finden. Ich hatte ein gutes Jahr.» Am französischen National-Feiertag hatte in Le Grand Bornand in den Alpen seine große Stunde geschlagen. Im Ziel der 7. Tour-Etappe durfte er sich als Solo-Sieger feiern lassen und für einen Tag das Gelbe Trikot überstreifen. «Gerdemann ist einer der am meisten getesteten Fahrer und gibt uns Hoffnung. Aber erst etwas später werden wir wissen, ob wir von einem Neuanfang der Tour sprechen können», hatte Team-Manager Bob Stapleton nach dem Triumph erklärt. Die Hoffnung trog, wofür Gerdemann nichts konnte. Nach seinem Hoch in den Alpen überschlugen sich die Hiobs-Botschaften in Frankreich: Dopingfall Sinkewitz, Ausstieg des öffentlich rechtlichen Fernsehens, Dopingfall Winokurow, Rauswurf Rasmussen.
Signale aus der Bonner Kommando-Zentrale, wie und ob es 2008 weiter geht, hat der Youngster aus Münster noch nicht erhalten - mit der Bekanntgabe der Entscheidung wird nächste Woche gerechnet. «Ich bin gerade erst aus dem Urlaub zurück», sagte er der Deutschen Presse-Agentur dpa. «Wenn solch ein Global-Player wie T- Mobile aussteigt, wäre das auch international für den Radsport ein ganz herber Niederschlag», sagte Gerdemann.
Er gibt auch den Medien eine gewisse Mitschuld an der angespannten Lage «seiner» Sportart: «Es herrscht eine gewisse Sensations- Industrie. Jeder weiß, wenn ich da und dort anrufe, gibt es die und die Schlagzeile. Über die Fortschritte im Anti-Doping-Kampf, in dem noch ganz viel passieren muss und dessen Ziel wir noch lange nicht erreicht haben, wird zu wenig berichtet. Man muss differenzierter mit Vergangenheit und Gegenwart umgehen». Aber auch ihn hätten die immer neuen Enthüllungen über skrupellose Doping-Praktiken überrascht: «Die Vergangenheit war heftiger als angenommen.»
Die Frage, ob er sich im kommenden Jahr auch vorstellen könnte, in einem unabhängig von T-Mobile von Bob Stapleton geleiteten Team zu fahren, war für Gerdemann «zu spekulativ». Er wünscht sich, dass der Kampf gegen Doping unter T-Mobile-Regie fortgesetzt werden kann und setzt dabei große Hoffnung auf den beim Anti-Doping-Gipfel in Paris durchgesetzten «Blutpass» für die Profis, in dem Ergebnisse von Blut- und Urin-Kontrollen und die daraus erfolgenden Parameter aufgeführt werden. «Das wird uns richtig weiter bringen», meinte Gerdemann, der nach seiner Rückkehr aus Thailand und Curacao am Wochenende mit leichtem Training auf der Rolle begann - wegen des schlechten Wetters vor der Haustür.