Cala d'Or/Mallorca (dpa) - Auf den ersten Blick scheint vor der vielleicht letzten Profisaison Jan Ullrichs vieles neu. Bei näherer Sicht hat sich aber eigentlich wenig geändert - bis auf den Namen des Hautkonkurrenten bei der Tour de France.
Im Jahr eins nach Lance Armstrong ist Ullrichs Focus rund sechs Monate vor dem Tour-Start der selbe, auch wenn das Team ziemlich umgekrempelt wurde und sein Intimus Rudy Pevenage wieder zum festen Betreuer-Stab gehört. Der 32-jährige Rostocker, neuerdings mit wallender Lockenpracht, hat den zweiten Toursieg nach 1997 auch vor seinem siebten und eventuell letzten Anlauf zum größten Saisonziel erklärt.
Bei der Präsentation des 29 Fahrer umfassenden T-Mobile-Teams im Trainings-Stammquartier auf Mallorca gab sich der Kandidat optimistisch. «Ich bin gut durch den Winter gekommen, fühle mich gut und bin gesund. Der Teamspirit ist großartig. Ich bin für die Tour der Kapitän und habe die Aufgabe, der Stärkste zu sein», sagte Ullrich, der im Vorjahres-Zweiten Ivan Basso (Italien) und seinem ehemaligen Team-Kollegen Alexander Winokurow (Kasachstan) seine härtesten Tour-Widersacher ausmachte. Neuling Linus Gerdemann, bisher Team-Kollege des kletterstarken Basso, machte eine einfache Rechnung auf: «Wenn Jan leicht ist, kann er Basso auch am Berg wegfahren.»
Der prominente Abgänger Erik Zabel, jetzt in der neuen Formation Milram unter Vertrag, bekam noch einen kleinen Seitenhieb vom Kapitän: «Alle Kanten im Team sind rundgeschliffen. Es herrscht große Harmonie. Das leidige Thema der Tour-Nominierung Zabels, das für viel Unruhe sorgte, hat sich erledigt.»
Mehr als 150 Journalisten waren mit einem Shuttle von Köln in den Robinson-Club Cala Serena eingeflogen worden und verfolgten die aufwendige Parade der Profis in einem einem Amphitheater ähnlichen Saal. Als Gast war auch Ex-Ministerpräsidentin Heide Simonis zugegen, die als Leiterin der deutschen Unicef-Sektion das T-Mobile-Engagement für das Programm «Schulen für Afrika» gerne vernahm. Jeder Sieg des Teams in diesem Jahr, einschließlich der Erfolge der ebenfalls präsentierten, zehnköpfigen Frauen-Mannschaft, bringt dem Kinder-Hilfswerk versprochene 3000 Euro.
Die sportliche Devise im Team ist klar und darauf wurde auch die Einkaufspolitik ausgerichtet: Alle für einen - für Jan Ullrich. Der Prestige- und Sympathieträger soll 14 Tage nach dem Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft Deutschland noch ein Mal in Tourfieber versetzen. «Die Voraussetzungen für einen Toursieg sind sehr günstig. Das weiß Jan, auch wenn es ohne Armstrong nicht unbedingt leichter wird», sagte Pevenage, der nach der Pensionierung des Managers Walter Godefroot wieder in die Riege der Teamchefs aufgenommen wurde. «Dafür habe ich Jahre gekämpft», meinte Ullrich.
Sein Freund und Kronprinz Andreas Klöden, 2004 Tour-Zweiter, könnte sich vorstellen, 2007 den eventuell frei werdenden Platz der Nummer eins im Team einzunehmen, «wenn die Leistung stimmt». In diesem Jahr lässt er allerdings keinen Zweifel an seiner Loyalität: «Ich gebe bei der Tour 120 Prozent für Jan». Bei einem Toursieger- Tipp wollte sich Klöden allerdings nicht ganz festlegen: «Ein T- Mobile-Fahrer gewinnt.» Ullrichs Vertrag läuft Ende 2006 aus.
Alles ist noch ein Mal auf den Kapitän ausgerichtet. Jetzt muss der Masterplan nur noch aufgehen. Dafür trainierte der Wahl-Schweizer fast den gesamten Dezember in Südafrika und machte auch in Mallorca bei den ersten Trainingsrunden mit allen Team-Kollegen einen stabilen Eindruck. Von sonst üblichen Gewichtsproblemen zu diesem Zeitpunkt war eher wenig zu sehen. Im März will Ullrich für den ersten Wettkampf - wahrscheinlich ab 21. März eine kleine italienische Rundfahrt an der Adria - bereit sein. Über die ins Auge gefasste Teilnahme am Giro d'Italia entscheidet er im April.