Brüssel/Cala d'Or (dpa) - Das Grüne Licht für Discovery-Channel durch die Vereinigung der Elite-Radsport-Teams wird vielerorts als Rückschritt im Anti-Doping-Kampf gewertet.
Der unter schwersten Image-Problemen leidende Radsport könnte durch das umstrittene Votum weiteren Schaden erlitten haben. Die im Anti-Doping-Kampf bisher so entschlossen wirkenden Teamchefs erwiesen ihrer Sportart mit dem Verzicht auf den eigentlich bereits beschlossenen Ausschluss der amerikanischen Equipe womöglich einen Bärendienst. 8:7 pro Discovery lautete das Abstimmungs-Ergebnis in Brüssel. Nur T- Mobile, Gerolsteiner, die vier französischen ProTour-Teams und die neuerdings auf hartem Anti-Doping-Kurs befindliche CSC-Formation zeigten den Amerikanern die Rote Karte wegen Verstoßes gegen den Ethik-Code.
Weiter wie bisher scheint die Lehre aus Brüssel zu sein - trotz des Katastrophenjahres 2006 mit der Fuentes-Affäre und dem positiv getesteten Toursieger Floyd Landis. «Einen Rückschritt» nannte Christian Frommert, Kommunikations-Chef bei T-Mobile, das enttäuschende Abstimmungsergebnis von Brüssel. Auch Roland Augustin, Chef der nationalen Anti-Doping-Agentur NADA, kritisierte in der «Netzeitung» den Beschluss, der den Ethik-Code ad absurdum führt: «Zuerst wurden große Dinge angekündigt, und jetzt, wo es um den eigenen Schwur geht, ist das Thema nicht mehr wichtig».
«Das ist alles andere als unser Wunsch-Ergebnis. Aber das heißt ja nun nicht, wir machen alles wieder so wie früher. Wir haben unsere Bude in Ordnung gebracht und verfolgen den eingeschlagenen Weg weiter. Die Inhalte des Ethik-Codes zur Doping-Prävention sind richtig», sagte der neue T-Mobile-Teamchef Rolf Aldag, der von einer vertanen Chance sprach, «das Radsport-Image zu verbessern».
Im Sog des Doping-Skandals Fuentes war die Vereinigung der Profiteams (IPCT) im Vorjahr in Paris übereingekommen, keinen in die Affäre verstrickten Profi zu engagieren. Discovery Channel verstieß gegen die Absprache und sicherte sich die Dienste des Giro-Gewinners Ivan Basso, der theoretisch als Tour-de-France-Favorit Nummer eins für 2007 gelten könnte. Discovery-Mitbesitzer Lance Armstrong scheint einen würdigen Nachfolger gefunden zu haben, nachdem die Mannschaft im ersten Jahr nach dem Rücktritt des Rekordsiegers aus Texas in Frankreich überhaupt nicht in Tritt gekommen war. Ein baldiger, neuer Vertragabschluss für den ebenfalls verdächtigten Ullrich würde jetzt nicht mehr überraschen.
Erik Zabel hat mit seiner Skepsis über die Effektivität des Anti-Doping-Kampfes («viele Worte») wohl recht. Der Weltverband UCI wartet weiter mit handfesten Reaktionen, bis der Fuentes-Prozess in Spanien - wahrscheinlich nicht vor August - offiziell Verwertbares gegen belastete Profis zu Tage bringen könnte. Die IPCT erwies sich jetzt als zahnlos. Bevor das Gericht in Spanien entscheidet, kann für Basso und Co. nur noch Störfeuer von den Veranstaltern kommen. Deutschland- und Dänemark-Tour haben sich schon contra Basso positioniert. Eine unmissverständliche Positionierung des mächtigsten Renn-Organisators, des Tour-de-France-Chefs Christian Prudhomme, steht noch aus. Er nahm eine Einladung ins T-Mobile-Trainingslager auf Mallorca an.
«Nach langer Diskussion» habe sich die IPCT entschieden, so eine Pressemitteilung des Interessenverbandes, Discovery nicht auszuschließen. Das amerikanische Team erklärte sich bereit, «bei Bedarf» auch einer DNA-Analyse ihrer Fahrer zuzustimmen. Bekanntlich wurden bei Fuentes bei der Polizei-Razzia im Mai sicher gestellte Blutbeutel Basso, Ullrich und anderen Top-Profis zugeordnet.