Grenoble (dpa) - Jens Voigt war aus dem Häuschen. Der einstige «Kamikaze-Angreifer» (L'Équipe) durfte sich nach seiner grandiosen Fahrt ins Gelbe Trikot sogar über einen zusätzlichen Tag im begehrtesten Raddress der Welt freuen.
«Ich werde es am Ruhetag auf jeden Fall verteidigen. Ich setze mich einfach darauf», kündigte der Berliner an, der im Ziel in Mulhouse von seinen ebenfalls überglücklichen und stolzen Eltern Edith und Egon («Er war schon als Kind hyperaktiv») empfangen wurde.
Denn, das weiß auch der stets gut aufgelegte Voigt, die schweren Alpenetappen der Tour de France am Dienstag und Mittwoch dürften seine Zeit in Gelb: «Ich bin nicht der Mann für das Hochgebirge. Man kann halt nicht alles haben im Leben. Unser Fahrer für das Gesamtklassement ist Ivan Basso.» Daran lässt auch Teamchef Bjarne Riis, Toursieger 1996, keinen Zweifel. Die Erlaubnis zur Attacke auf der 9. Etappe musste sich der gebürtige Mecklenburger von seinem Chef regelrecht erbetteln: «Ich habe Bjarne immer wieder gefragt: Darf ich gehen, darf ich gehen? Erst am Start am Sonntag hat er gesagt: Heute darfst du.»
Der 33-Jährige, der mit dem Prolog zu Paris-Nizza im März das erste ProTour-Rennen überhaupt gewonnen hatte, holte sich zum zweiten Mal das Maillot Jaune. Seit 2001, als Voigt noch in Diensten des französischen Rennstalls Crédit Agricole stand (1998 bis 2003), hat er sich dabei vom nimmermüden Dauerangreifer zum Fahrer mit taktischem Kalkül entwickelt - Riis sei Dank. «Bjarne hat mir gezeigt, dass eine entscheidende Attacke mehr als zehn Versuche bringen kann», sagte Voigt. Riis: «Er möchte immer nach vorn, immer der Beste sein. Ich habe sehr oft mit ihm darüber gesprochen, und ihm gesagt, dass ihn diese Fahrweise enorm viel Energie kostet».
Voigt, neben Etappensieger Mickael Rasmussen, der «Held der Vogesen», wie die französische Tageszeitung «Le Figaro» titelte, wird wegen seiner ehrlichen Arbeit und seiner Leidenschaft, die auch mit dem vorzeitigen Tour-Ausstieg 2003 nicht brach, von seinen Konkurrenten in höchstem Maße geachtet. «Er ist einer der Sympathischsten im Feld, der immer attackiert und kämpft. Er hat es sich verdient», meinte Jan Ullrich vom T-Mobile-Team. Voigt engagiert sich auch in der Fahrer-Gewerkschaft.
Wie hoch Voigt im Kurs bei den rivalisierenden Kollegen steht, wurde nach einem Defekt rund 20 km vor dem Ziel in Mulhouse deutlich, als Voigts ehemaliger Weggefährte Christophe Moreau auf ihn wartete. «Ohne ihn hätte ich mich wohl in der Pampa wiedergefunden», meinte Voigt. Im Ziel lagen sich die ehemaligen Team-Kollegen in den Armen.
Voigt holte das Trikot für seinen dänischen Rennstall zurück, nachdem der Amerikaner David Zabriskie die erste Etappe gewonnen und drei Tage das Leaderjersey getragen hatte. Mit dem Gelben Trikot im Schrank konnte Riis am Sonntag auch den Ausstieg Zabriskies wegen der Folgen eines Sturzes auf der Etappe nach Tours verkraften.
Ohnehin strahlt das CSC-Team wie sein Chef eine ungeheure Gelassenheit, gepaart mit großer Entschlossenheit aus. Entschlossen, am Ende seinen Kapitän Ivan Basso, letztjähriger Dritter, erneut auf dem Podium, und am liebsten auf dem obersten Treppchen zu haben. «Wir haben natürlich eine andere Ambition als vier Fahrer unter den ersten zehn zu haben», stellte Riis klar. Das sieht auch Himmelsstürmer Voigt so: «Ich gebe mich keinen Illusionen hin, das Gelbe Trikot bis Paris zu tragen. Dafür haben wir andere Fahrer.»