Gent (dpa) - Die Tour de France ist vergiftet. Das Misstrauen nagt am Radsport-Organismus, Teamchefs gehen aufeinander los, Journalisten sind sich nicht grün, Fahrer beäugen Reporter mit noch mehr Skepsis.
Andreas Klöden hatte bei der Pressekonferenz seines Astana-Teams keine Lust, auf die Geständnisse seines ehemaligen Kollegen Jörg Jaksche, der am 9. Juli die Tour besuchte, zu antworten. Er hält ihn ohnehin für «durchgeknallt». Der Spanier Alejandro Valverde sagte bei Nachfragen zu seinen Verwicklungen in den Doping-Skandal Fuentes einfach gar nichts.
Auch viele Fernseh-Zuschauer haben im Moment noch Schwierigkeiten, die «neue» Tour-Berichterstattung einzuordnen. Die Telefondrähte glühten am Samstag bei der ARD. «In jedem zweiten Satz Doping», bemängelten viele Anrufer laut Pressemitteilung des Senders die aktuellen Übertragungen. «Die Zuschauer müssen sich offensichtlich erst einmal an die neue Situation gewöhnen», sagte ARD-Tour-Teamchef Roman Bonnaire, der die ablehnende Haltung der Fernseh-Zuschauer «nun doch nicht» erwartet hätte. Auch am zweiten Tour-Tag lag die Quote weit unter den Erwartungen.
Auch das ZDF wirkte aufklärerisch, befragte einen Medizin-Professor zu EPO und ließ den Ex-Profi und Journalisten Paul Kimmage zu Wort kommen, der schon 1990 mit seinem Buch «The Rough Ride» öffentlich eine engagierte Doping-Anklage führte. Seitdem ist der Ire im Fahrerfeld alles andere als wohl gelitten. Vor dem Tourstart in London hatte sich Kimmage, der einst im Team des Toursiegers Stephen Roche fuhr, Alexander Winokurow vorgenommen: «Es ist ekelhaft, wenn Sie Toursieger würden», beschimpfte er den Kasachen wegen dessen Zusammenarbeit mit dem umstrittenen Mediziner Michele Ferrari. Roche kritisierte seinen Landsmann dafür in der «L'Équipe» harsch: «Was bildet sich der Kimmage ein.»
Die «Berliner Zeitung» setzte ihr neues Tour-Konzept um: «Keine Etappenberichte, keine Fotoserien, keine der üblichen Grafiken, keine Folklore. Für das, was sich Radsport nennt, wäre ein täglicher Gerichtsreport die angemessene Form», hieß es in einer Vorankündigung. Die tägliche Kolumne unter dem Motto «Die Spritztour» erschien unter der Wimbledon-Berichterstattung am unteren Zeitungsrand. Die sportlichen Ereignisse des Tour-Wochenendes waren dem Blatt, das die Tour seit 1997 begleitet, zwei Sätze wert.
Auch die Teamchefs untereinander gehen nicht sehr fein miteinander um. T-Mobile-Generaldirektor Bob Stapleton attackierte den belgischen Rad-«Patriarchen» Patrick Levefere, der Quick Step vorsteht. Astana-Manager Marc Biver ging auf T-Mobile-PR-Chef Christian Frommert los, und Milram-Manager Gerry van Gerwen machte sich ein bisschen lustig über die besonderen Anti-Doping-Aktivitäten der Mannschaften Gerolsteiner, CSC und T-Mobile. Er nannte deren öffentlichkeitswirksame Bemühungen «Schaufenster-Aktionen».
Das Bonner Team stellte für die Tour extra den früheren Personenschützer ein, der Rudolf Scharping in Zeiten als Verteidigungsminister zur Tour begleitet hatte. Frommert: «Wir gehören schließlich nicht zu den beliebtesten Teams.»