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Faranak Partoazar beim Weltcup 2019 in Albstadt. Foto: Balz Weber
10.03.2020 15:50
Iranische MTB-Meisterin Faranak Partoazar: Radsport Schule fürs Leben

Shiraz (rad-net) - Wenn Ende Juni in Albstadt in Baden-Württemberg die Mountainbike-Weltmeisterschaften stattfinden, werden dort nicht nur die Topstars um Nino Schurter, Pauline Ferrand-Prevot, Ronja Eibl und Co. am Start sein, sondern auch unbekannte Sportlerinnen und Sportler. Eine von ihnen ist Faranak Partoazar aus dem Iran. Die 31-Jährige aus Shiraz fährt seit 2014 trotz vieler Hürden auf professioneller Ebene und weiß mit ihrer interessanten Geschichte zu beeindrucken.

Obwohl die iranische Meisterin im Mountainbike nicht zu den führenden Athletinnen der Welt zählt, erzählt ihre Geschichte von der Wirkung des Radsports als Schule fürs Leben und ihrem Kampf um Frauenrechte auf sportlicher Ebene. Im telefonischen Interview berichtete die Iranerin kürzlich von ihrem Werdegang im aktiven Radsport.

2014 habe der Radsport erst richtig für sie angefangen, erzählt die siebenfache iranische Meisterin, denn damals wurden die ersten Frauen, darunter auch Partoazar, zum ersten Mal in die Nationalmannschaft eingeladen. Zu der Zeit trainierte der niederländische Coach, Harry Hendriks, den iranischen Kader und der habe Frauen in der Nationalmannschaft gewollt, erinnert sich die Fahrerin: «Er hat für uns gekämpft, hat darauf bestanden und konnte die Verantwortlichen überzeugen. Das werde ich ihm nie vergessen. Durch ihn konnte ich wirklich für Rennen trainieren. Vorher bin ich nur so gefahren, ohne Plan und ohne Kenntnisse, auf einem wirklich niedrigen Level.»

Wie gering ihre Erfahrung vor der Einladung in die Nationalmannschaft war, zeigt die Geschichte ihrer ersten inoffiziellen Rennen. Damals sei sie mit dem alten, viel zu großen Fahrrad ihres Bruders angetreten, ohne die Füße auf den Boden stellen zu können oder zu wissen, wie man schaltet. «Nun, ich bin das Rennen gefahren und wurde Dritte. Da waren etwa zehn Frauen, die gefahren sind, aber ich habe die niemals vorher gesehen. Ich erinnere mich, dass der Verantwortliche des Klubs beeindruckt war, wie ich mit diesem Bike so gut fahren konnte.»

Mit professionellen Trainern an ihrer Seite und den ersten Rennen im Ausland 2014, habe sie sich dann jedoch schnell verbessert. Nachdem Partoazar sowohl bei zwei türkischen Rennen, als auch den Asiatischen Meisterschaften in Indonesien von der Konkurrenz abgehängt und zweimal überrundet worden war, habe sie die Motivation und der Ehrgeiz gepackt: «Von da an habe ich mir gesagt, ich will auf dieses Niveau kommen, ich will nicht einfach so brutal abgehängt werden. Ich wollte eine Medaille bei den Asien-Meisterschaften.» Zusätzlich habe sie darauf hingearbeitet, zu den Asian Games zu fahren, bei denen zuvor noch nie eine iranische Frau angetreten war.

Primoz Strancar habe als Nationaltrainer die Träume der jungen Frau ernst genommen und an ihrer Performance und ihrem Fahrstil gearbeitet: «Ich sagte zu Primoz, nächstes Mal will ich nicht mehr überrundet werden. Er sagte mir, bis jetzt hattest du immer zwei Runden Rückstand, wenn du nur noch eine Runde Rückstand hast, bin ich zufrieden. Aber es war dann das erste Jahr, in dem ich das Rennen in derselben Runde beendet habe. Ich war so glücklich. Ich hatte das Gefühl, dass sich was bewegt. Und dann wollte ich eine Medaille.»

Um sich diesen Wunsch zu erfüllen, ist die Athletin sogar alleine, ohne professionelle Unterstützung durch einen Mechaniker oder Trainer, zu den Wettbewerben im Ausland geflogen. Dabei habe sie vor allem gelernt, sich selber zu organisieren. «Ich hatte keine Ahnung. Es war ein großes Abenteuer, auf mich alleine gestellt zu sein. [...] Ich habe versucht Leute zu finden, die mir in der Feedzone helfen, einen Mechaniker und so weiter.»

Zudem habe Strancar sie zu ihren ersten europäischen Rennen mitgenommen, was ein sehr eindrückliches Erlebnis gewesen sei: «Wir sind nach Italien geflogen und sind ein HC- und ein C1-Rennen gefahren. Da waren so viele Top-Leute da, es war wie ein kleiner Weltcup. Ich war so überrascht sie zu sehen. Ich dachte, wie, zur Hölle, fahren die denn? Wie schnell und geschmeidig.» Da habe sie erneut gemerkt, dass das internationale Niveau ein völlig anderes ist, was sie dazu angespornt habe, weiter zu trainieren und besser zu werden.

Den ersten Erfolg feierte die Iranerin schließlich mit einer Medaille, die sie 2017 im Teamwettbewerb gewann, doch die zählt für Partoazar nicht wirklich. «2018 habe ich auf den Philippinen die erste Einzelmedaille gewonnen. Das war die erste Medaille für eine Frau in der Geschichte des iranischen Radsports bei den Asien-Meisterschaften. Das war ein riesiger Schritt für uns.» Zeitgleich habe sie auch einen weiteren Wendepunkt bedeutet.

Bis 2018 seien die Frauen in der Nationalmannschaft vom iranischen Verband lediglich toleriert, aber nicht wirklich unterstützt worden. Nach der ersten Medaille habe sich das Blatt jedoch gewendet: «Es war nicht nur, dass sie uns nicht helfen und nicht dabei haben wollten. Sie haben nicht mal über Frauen nachgedacht. Wir hatten nicht die gleichen Rechte wie die Männer. Die kamen immer zuerst, auch wenn ich die besseren Resultate hatte. 2018 hat sich das verändert, dann konnte niemand mehr sagen, das war Zufall.» Der Verband habe sie daraufhin sogar zu den Asian Games nach Jakarta geschickt, bei denen sie als Vierte im Mountainbike-Wettbewerb eine Medaille knapp verpasst hat.

Trotzdem wurde Partoazar für die Weltmeisterschaften 2018 in Lenzerheide (Schweiz) nominiert, bei denen sie mit drei Runden Rückstand den 49. Platz belegte. Insgesamt habe sie dort viele Erfahrungen gesammelt und die Offenheit der Bike-Community genossen: «Ich hatte nie das Gefühl, dass man mich als Iranerin komisch anschaut, als Fremde, als Terroristin, als gefährlich. Diesen Eindruck hatte ich zu keinem Zeitpunkt. Es ging nur darum, wer auf der Strecke die Beste ist. [...] Jeden Tag dort ist etwas Tolles für mich passiert. Ich habe zu meinem Coach gesagt: ich bin die glücklichste Person. [...] Diese Mountainbike-Community ist so nett und freundlich.»

Im Moment arbeitet die 31-Jährige, die auch einen Universitätsabschluss in Maschinenbau hat, auf die Weltmeiserschaften in Albstadt hin, die für die Saison 2020 ihr größtes Ziel seien. Langfristig plane die Iranerin jedoch schon für die Olympischen Spiele 2024 in Paris, an denen sie teilnehmen will. Auf die Frage, ob sie sich auch mit 31 Jahren noch weiter entwickeln könne, antwortet die Athletin: «Auf jeden Fall, sonst würde ich auch nicht für 2024 planen. Ich bin eine Idealistin. Ich bin 31, aber ich trainiere nicht mit Blick auf mein Alter, ich trainiere mit Blick auf meine Ziele.» Da Partoazar die einzige iranische Fahrerin ist, die im Ausland Punkte sammelt, liegt der Iran in der Weltrangliste nur auf Platz 42 und damit fernab von den Rängen, für die es Startplätze bei Olympia gibt. Die größte Chance für die Fahrerin, trotzdem starten zu dürfen, liegt in dem Sieg der Asiatischen Meisterschaften 2023.

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