Hamburg (dpa) - Jan Ullrich und seine früheren Telekom-Teamkollegen Andreas Klöden und Alexander Winokurow müssen um ihre Olympia-Medaillen von Sydney bangen. Das hat Denis Oswald, Chef der IOC-Disziplinarkommission für Dopingvergehen bei früheren Olympischen Spielen, bekräftigt.
«Wir haben jeden Spielraum bei den Sanktionen. Wenn es bewiesen ist, dass jemand gedopt war oder irgendwie anders betrogen hat, sehe ich kein Problem bei einer Aberkennung», sagte der 60 Jahre alte Schweizer der «Berliner Zeitung» und bestätigte damit seinen harten Kurs.
Oswald ließ keinen Zweifel daran, wie nach dem österreichischen Doping-Skandal bei den Winterspielen 2006 in Turin notfalls auch gegen die Radprofis hart vorzugehen. Ein positiver Test sei «keine Bedingung für eine Doping-Strafe», meinte er.
Sechs Athleten und 13 führende österreichische Funktionäre waren lebenslang für Olympia gesperrt worden; das Österreichische Olympische Komitee (ÖOC) muss eine Million Dollar Strafe zahlen. Der am 26. Februar zurückgetretene Ullrich, dem zwei Doping- Strafverfahren drohen, hatte vor sieben Jahren in Sydney die Goldmedaille im Einzelstraßen-Rennen vor Winokurow und Klöden geholt. Beide gelten als Favoriten für die diesjährige Tour.
In der Debatte um Konsequenzen aus dem Doping-Skandal verstärkt das ZDF den Druck auf die Veranstalter der Tour de France. Der Sender will das Radrennen nur dann übertragen, wenn die Organisatoren sichere Kontrollen nachweisen, sagte Intendant Markus Schächter. Das ZDF plant auch eine Klausel, die Übertragung bei Bekanntwerden neuer Fälle abzubrechen. Eine knappe Mehrheit des für Grundsatzfragen zuständigen ZDF-Fernsehrats stimmte in Kiel für einen Ausstieg aus der Tour de France. 20 Mitglieder waren dafür, 19 stimmten unterdessen für den Forderungskatalog, der an die Veranstalter gerichtet wird, sagte Ratsvorsitzender Ruprecht Polenz.
Für den Vorsitzenden der Stiftung Deutsche Sporthilfe, Hans-Wilhelm Gäb, würde der deutsche Sport nach der jüngsten Dopinglawine im Lager der Radprofis nur dann Schaden nehmen, wenn die Gesellschaft «diese Art von Kriminalität» toleriert. «Aber das tut sie nicht», betonte Gäb in einem Interview der «Stuttgarter Zeitung». «Das Problembewusstsein wächst, der Widerstand formiert sich.»
Nach Meinung von David Howman, Generaldirektor der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA, kommen die Fahnder den Dopingsündern immer näher. «Die Lücke zwischen jenen, die betrügen, und denen, die sie erwischen wollen, verringert sich», erklärte der Neuseeländer in Sydney. Viele dieser Athleten müssten heutzutage besorgter sein als früher, dass sie ertappt werden.
Mit weiteren Enthüllungen rechnet auch der Vorsitzende der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA), Armin Baumert. «Es klingt grotesk, aber für die NADA ist die gegenwärtige Situation auch eine Chance«, sagte Baumert auf der Sport-Internetseite der ARD und fügte hinzu: «Durch den Druck, der auf allen Ebenen entstanden ist, könnte die NADA wirklich zu dem Instrument ausgebaut werden, zu dem sie da sein sollte: Doping-Sünder aufzuspüren und sie aus dem Sport zu verbannen.»
Die Ergebnisse der überraschenden Dopingkontrollen von vier Topfahrern beim Giro d'Italia liegen «innerhalb einer Woche» vor. Das teilte Ettore Torri, der Chef-Ermittler des italienischen NOK, CONI, mit. Torri hatte nach der schweren Dolomiten-Etappe auf den Zoncolan in den Fahrerhotels Blut- und Urinkontrollen unter anderen beim Tagessieger Gilberto Simoni und dem Gesamtführenden Danilo di Luca vornehmen lassen.