Carcassonne (dpa) - Der fünffache Toursieger Miguel Indurain bricht für Jan Ullrich, Ivan Basso und die anderen gesperrten Radprofis eine Lanze. «Nur weil ihre Namen im Zusammenhang mit der Dopingaffäre genannt werden, ist das noch kein Grund für eine Vorverurteilung», sagte der Spanier am Rande der Tour de France.
«Ich erwarte, dass die spanischen Behörden jetzt alles lückenlos aufklären und Ergebnisse vorlegen», sagte Indurain, der im Ziel der «Königsetappe» in den Pyrenäen bei der Tour auf Stippvisite war. «Im Radsport wird so scharf kontrolliert, wie in keiner anderen Sportart», sprang Indurain seinen Kollegen zur Seite.
Allerdings soll Ullrich laut «Süddeutsche Zeitung» bereits bei der Tour 2005 gedopt gewesen sein. Das gehe aus Unterlagen hervor, die den Ermittlern im spanischen Doping-Skandal vorliegen. Demnach habe der Arzt Eufemiano Fuentes für den inzwischen suspendierten T-Mobile-Kapitän Ullrich einen Doping-Plan für die ersten sechs Tage der Tour im vergangenen Jahr ausgearbeitet. Laut diesem Plan, den die Ermittler Ullrich zuordnen sollen, war eine wechselnde Medikation mit Hormonen, Insulin, Testosteron und einer präparierten Bluteinheit vorgesehen. Ullrich war bei der Tour 2005 Dritter hinter dem Amerikaner Lance Armstrong und Basso.
Mit Verwunderung hat T-Mobile-Teamarzt Lothar Heinrich den Artikel der «Süddeutschen Zeitung» zur Kenntnis genommen. «Ich bin sehr erstaunt», sagte der Mediziner der Uni-Klinik Freiburg, in der alle Profis des Bonner Teams medizinisch betreut werden. «Das sieht man den Leuten ja nicht an, sie haben keine blaue Zunge», meinte Heinrich, der bei Ullrich-Untersuchungen «keine Auffälligkeiten» feststellte.
Der Teamarzt wies darauf hin, dass weder Ullrich angeblich verabreichtes Insulin noch Wachstumshormone ohne weiteres nachzuweisen seien. «Der durch die Gabe von Testosteron veränderte Hormon-Status hätte in den Urin-Doping-Kontrollen auffällig sein müssen. Ullrich war bei einem Test im Rennen aber nie positiv», betonte Heinrich. Der komplizierte Nachweis von Wachstumshormonen könnte in «höchstens zwei oder drei Laboratorien in Europa vorgenommen werden», sagte der Mannschaftsarzt weiter.
Heinrich forderte eine größere Ausstattung der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA), damit die Kontrollen effizienter vorgenommen werden können. Ein bald zur Verfügung stehender Blutvolumen-Test, der Hinweise auf Eigenblut-Doping geben könnte, sowie aussagekräftigere Blut- und Hormonbilder der Fahrer könnte das Netz der internen Betreuung und Überwachung enger knüpfen. «Aber diese Maßnahmen kosten Geld», erklärte Heinrich.
Etwas verunsichert äußerte sich Indurain über den bisherigen Verlauf der 93. Tour de France. «Es gibt keinen eindeutigen Favoriten.» So hat sich in den ersten Berg-Etappen um den Amerikaner Floyd Landig und dem Russen Denis Mentschow eine neue Tourelite gebildet. «Für das große Publikum fehlen aber die großen Namen», bedauerte Indurain, der als Berater für die spanische Sportzeitung «Marca» arbeitet.