Berlin (dpa) - Der indirekt von einem ehemaligen Betreuer belasteten T-Mobile-Teamarzt Lothar Heinrich äußerte sich in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zu den Dopingvorwürfen des Belgiers Jeff d'Hont.
dpa: Der frühere Telekom-Team-Betreuer Jeff d'Hont hat kürzlich im belgischen Fernsehen behauptet, Toursieger Bjarne Riis sei 1996 «randvoll mit EPO» gewesen, und die Doping-Beschaffung sei damals über «die Freiburger Ärzte» gelaufen. Was sagen Sie dazu?
Lothar Heinrich: «Diese Aussagen sind für mich unerklärlich. Die Erklärung der Universitätsklinik Freiburg, dass die Vorwürfe jeder Grundlage entbehren, kann ich nur bekräftigen.»
dpa: Sind Ihnen denn damals bei den Untersuchungen von Riis und auch Jan Ullrich, der vor elf Jahren bei seiner ersten Tour auf Anhieb Zweiter wurde, irgendwelche Unregelmäßigkeiten aufgefallen?
Heinrich: «Die von uns erhobenen Befunde lagen im normalen Bereich.»
dpa: Nach dem Ullrich-Schock gilt das T-Mobile-Team zusammen mit der Riis-Mannschaft CSC jetzt unter den 20 ProTour-Teams mit vielen neuen Initiativen als Vorkämpfer im Anti-Doping-Kampf. Über die von Ihnen neuerdings durchgeführten Blut-Volumen-Tests könnte es Hinweise auf Blutdoping geben - wie viele Tests dieser Art gab es schon?
Heinrich: «Die Sportler wurden bisher vier Mal durch den Experten auf diesem Gebiet, Professor Schmid aus Bayreuth, getestet. Als unabhängiger Experte bestimmt er, wen und wann er kontrolliert. Alle T-Mobile-Profis wurden im Oktober beim Mannschafts-Treffen in Lugano und im Januar im Trainingslager auf Mallorca getestet. Außerdem erfolgte eine unangemeldete Kontrolle bei der Mallorca-Rundfahrt und beim Rennen 'Het Volk'.»
dpa: Wann haben sie Jan Ullrich zuletzt ärztlich untersucht?
Heinrich: «Das letzte Mal habe ich Jan Ullrich vor der Tour 2006 gesehen».
dpa: Der gedopte Toursieger Floyd Landis akzeptierte ein Startverbot für Frankreich, obwohl er noch nicht verurteilt ist. Ullrich ist zurückgetreten, vielleicht droht auch Ivan Basso in der Fuentes- Affäre noch das Tour-Aus, die meisten Teams fahren einen schärferen Anti-Doping-Kurs: Ist damit zu rechnen, dass die Tour de France 2007 vielleicht als eine der saubersten in die Geschichte eingehen kann?
Heinrich: «Ich hoffe das. Der Tour-Veranstalter ASO und der Weltverband UCI haben die große Chance, durch gemeinsames Vorgehen die Bedingen zu schaffen. Die Tour hat größtes Interesse an sauberem Sport, schon um langfristig die Sponsoren zu halten.»
dpa: Der Vorsitzende des Sportausschusses des Bundestages, Peter Danckert, hat Sie, Professor Andreas Schmid und Ullrich zu einer Anhörung im Mai nach Berlin eingeladen. Gehen Sie hin?
Heinrich: «Bisher ist mir die Einladung nur aus den Medien bekannt. Aber ich bin gern zu Gesprächen mit dem Sportausschuss bereit. Alles, was die Situation im Kampf gegen Doping klärt, ist zu begrüßen.»
dpa: Die Franzosen galten lange als Vorkämpfer im Anti-Doping-Kampf und registrierten wegen ausgebliebener Erfolge oft einen «Radsport der zwei Geschwindigkeiten» unter Anspielung auf ein gewisses Ungleichgewicht der Bedingungen. Ist das jetzt auch im T-Mobile-Team zu befürchten, in dem engmaschig kontrolliert wird?
Heinrich: «Ich hoffe, das gestaltet sich nicht so. Abstriche an Leistungen habe ich noch nicht festgestellt. Ein guter Beweis ist ja der Doppelsieg beim wichtigen Eintages-Rennen 'Gent-Wevelgem'. Außerdem, mögliche Unterschiede könnte es ja besonders bei der angestrebten 'sauberen Tour' nicht geben.»