Berlin/Straßburg (dpa) - Erik Zabel kehrt heim zur Tour de France. Die Zwangspause im Vorjahr hat dem gebürtigen Berliner Radprofi schwer zu schaffen gemacht und zum Wechsel des Arbeitgebers veranlasst. Jetzt ist er als «alter Bekannter» im neuen Milram-Outfit wieder zur Stelle.
«Ich freue mich auf die Tour wie seit Jahren nicht mehr», sagte Zabel vier Tage vor dem Start in Straßburg. Am 7. Juli in Vitre - wie immer hat er bei der Tour Geburtstag - wird er 36 Jahre alt.
Von 1994 bis 2004 war der Sprinter aus Unna Dauergast in Frankreich. Ein überaus erfolgreicher: Sechs Mal holte Zabel das Grüne Trikot und gewann zwölf Etappen, der letzte Tageserfolg liegt allerdings schon vier Jahre zurück. Im Vorjahr stolperte er im T- Mobile-Team über Jan Ullrich, der mehr denn je seine Interessen durchsetzte und die Teamleitung zum Zabel-Verzicht animierte. Den öffentlichen Blick zurück im Zorn spart sich der nach Siegen gerechnet erfolgreichste noch aktive Profi der Welt, der mit 193 Erfolgen in den Büchern steht.
Der Kapitän des unter italienischer Regie mit deutschem Geld fahrenden Milram-Teams blickt nach vorne und ist dabei Realist: Sein optimistisch formuliertes Ziel: Noch ein Mal das Grüne Trikot und vielleicht der 13. Etappensieg, «aber dazu gehört auch Glück». Zabel sieht sich selbst auf einer Höhe mit den für die Tour vorgesehenen Topsprintern Thor Hushovd (Norwegen), der im Vorjahr ohne einen einzigen Etappensieg das Grüne Trikot des besten Sprinters gewann, Oscar Freire (Spanien), Robbie McEwen (Australien) und Daniele Bennati (Italien). Aber: «Ganz klar - Weltmeister Tom Boonen steht über allen. Er ist der Favorit», meinte Zabel.
Die Rückkehr nach Frankreich war anders geplant. Zabels Team- Kollege Alessandro Petacchi sollte in der ersten Woche Etappensiege einfahren und durch Erfolge Ruhe ins Team bringen. Dann wollten alle an einem Strang ziehen und Zabel bei seiner «Grünen-Politik» unterstützen. Ein Sturz des Italieners beim Giro änderte die Kostellation total. Petacchi brach sich die Kniescheibe, wurde operiert, begann erst vor wenigen Tagen mit der Reha und «wird mit mir erst wieder im September bei der Vuelta zusammenfahren», erklärte Zabel.
«Sein Fehlen ist eine sehr, sehr große Beeinträchtigung. Er hätte das Team mitreißen können. Außerdem ist Marco Velo nach seinem Schlüsselbeinbruch noch gehandicapt», erklärte Zabel, der den berühmten «Petacchi-Zug» jetzt allein führen und dirigieren muss. Das Rezept für den Zielgeraden-Express scheint simpel, ist aber bei Tempo jenseits der 60 Stundenkilometer äußerst schwer umzusetzen.
Die für die Tour nominierten Velo, Fabio Sacchi, Christian Knees und Zabel waren in dieser Saison schon oft «Zugbegleiter» und haben sich bei Massenspurts im Finale vor Petacchi gespannt. Im letzten Moment ging «Ale-Jet», wie er in Italien genannt wird, dann an die Spitze und vollendete bis zu seinem Sturz bisher elf Mal in diesem Jahr. Jetzt soll Zabel, bei dem der Knoten des ersten Saisonsieges erst bei der Bayern-Rundfahrt vor vier Wochen platzte, in Frankreich den Petacchi geben. Der Druck ist groß.
Die Last in Frankreich auf seinem früheren Team-Kollegen Jan Ullrich ist noch opulenter. Auf die Frage, ob der T-Mobile-Kapitän seinen Coup von 1997 wiederholen kann, antwortete Zabel mehrdeutig: «Er steht in Paris auf dem Podest».