Rennes (dpa) - Jede Steigung, jede Kurve die reinste Qual. Aber aufgeben? Dieses Wort kommt im Wortschatz des australischen Radprofis Adam Hansen nicht vor. Der Teamkollege von André Greipel hat sich auf der zweiten Etappe der Tour de France nach Zeeland bei einem Sturz die Schulter ausgekugelt.
«Die Ärzte haben mir gesagt, das werden die schmerzhaftesten drei Wochen. Ich esse Schmerzen zum Frühstück. Es sind doch nur Schmerzen», sagte Hansen, der zumindest seinen Humor noch nicht verloren hat.
Der 34-Jährige will sich durchkämpfen - bis nach Paris. Dann hätte er den Rekord des Spaniers Bernardo Ruiz eingestellt. Der hat zwischen 1954 und 1958 bei zwölf großen Rundfahrten (Tour, Giro d'Italia, Vuelta) in Serie auch das Ziel erreicht. «Ich habe mal in einer Studie gelesen, dass jeder Radprofi, der eine große Rundfahrt beendet hat, fünf Jahre länger lebt. Geht es danach, werde ich nie sterben.»
In seiner Karriere ist Hansen sogar schon 15 große Rundfahrten bis zum Ende durchgefahren. Inzwischen weiß er die langen Trips zu schätzen. «Ich muss nicht kochen, putzen oder Wäsche waschen, einfach nur Rad fahren.» Auf der anderen Seite kann der Mann aus Southport/Queensland dann auch mal länger am Stück in seiner australischen Heimat bleiben.
Seit 2003 ist sein sportlicher Lebensmittelpunkt Europa. Ein wenig ungewöhnlich ist sein Wohnsitz in Tschechien. Über diverse Teams in Österreich hat es der «Aussie» 2007 ins Telekom-Team geschafft und das unrühmliche Ende des einstigen Erfolgsrennstalls hautnah miterlebt. Seit 2012 fährt er für Lotto-Soudal.
Nicht nur bei seinen Teamkollegen genießt Hansen höchste Wertschätzung. «Wenn die Leute sagen, ich sei ein harter Kerl, dann ist Adam zweimal so hart», sagte der deutsche Radsport-Veteran Jens Voigt, der mit 17 Tour-Teilnahmen Rekordhalter ist und erst im vergangenen Jahr mit 43 Jahren seine Karriere beendet hat. Damit hat Voigt sein australisches Ebenbild in die Bredouille gebracht. «Ich habe mal gesagt, dass ich solange fahre wie Voigt», erklärte Hansen. Neun Jahre hätte er dann noch zu treten.
Sportlich hat er zweifelsohne seine Daseinsberechtigung beim belgischen Team. In der Sprintvorbereitung für Kapitän Greipel spielt er normalerweise eine wichtige Rolle. Ab und zu fährt er auch auf eigene Rechnung, so gewann er schon eine Etappe bei Giro und Vuelta. In diesen Tagen rollt er aber nur mit, in der Gesamtwertung ist er schon fast eine Stunde zurück. Gerade die Etappe über das harte Kopfsteinpflaster hat Hansen wehgetan. «Ich habe da geschrien wie ein Kind.»
Hansen lässt sich aber davon nicht aufhalten. 2013 fuhr er trotz gebrochenen Brustbeins den Giro zu Ende. Und im vergangenen Jahr hatte er bei einem Sturz während der Fernfahrt Paris-Nizza zwei Knochenbrüche gar nicht richtig bemerkt. Da kann ihn eine ausgekugelte Schulter nun wirklich nicht aufhalten.
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