Frankfurt (rad-net) - Rudolf Scharping, früherer SPD-Vorsitzende und Bundesminister, will sich am 19. März auf der Bundeshauptversammlung des BDR zur Wahl des BDR-Präsidenten stellen. In einem Interview mit der FAZ nahm der prominente Präsidentschaftskandidat nun erstmals selbst Stellung zu seiner Kandidatur.
Ihr politischer Ziehvater Willy Brandt soll gesagt haben: ,Vergeßt mir den Mainzer nicht!' Hatten Sie zuletzt eigentlich Angst, vergessen zu werden?
Wenn Sie mit Ihrer Frage darauf anspielen, daß ich deshalb die sportpolitische Bühne betreten will, weil ich nicht in Vergessenheit geraten möchte, dann kann ich Ihnen sagen: Nein. Das ist nicht mein Motiv.
Was reitet Sie denn, sich beim Bund Deutscher Radfahrer (BDR) in den Sattel zu schwingen?
Nun, ich bin ja, wie Ihnen sicher nicht verborgen geblieben ist, ein großer Radsportfan. Ich habe allerdings lange, lange überlegt, ob ich das machen soll, als ich gefragt wurde. So ein Engagement muß man ja mit den anderen Verpflichtungen sehr gut abstimmen; mit meiner Gastprofessur in Boston und natürlich mit meinen Aufgaben als Mitglied des Deutschen Bundestages.
Aber Sie haben ja gesagt. Was hat es Ihnen am Radsport denn so angetan - einer Sportart, die durch professionelles Doping derart in Verruf ist, daß man ihr die Sauberkeit nicht mehr abnimmt?
Da hat sich ja, wie Sie wissen, in den letzten Jahren seit der Skandal-Tour 1998 eine ganze Menge Gutes getan. Ich denke, die Dopingbekämpfung wird inzwischen ernst genommen. Ich tue das jedenfalls. Kompromißlos.
Heißt das, Sie fordern nach wie vor ein Anti-Doping-Gesetz?
Ja, ganz entschieden. Und der Bundesinnenminister ist ja jetzt auch auf dem Trip, auf dem ich schon lange bin.
Mit Otto Schilys öffentlich bekundeter Bereitschaft, staatliche Maßnahmen gegen die Manipulationen im Hochleistungssport zu ergreifen, ist es nach unserer Wahrnehmung aber nicht so weit her. Oder wissen Sie da mehr?
Ich weiß nur, daß er zuletzt deutlich mehr Offenheit gegenüber den Forderungen nach einem Anti-Doping-Gesetz gezeigt hat. In diesem Kampf braucht der Sport, bei dem allerdings nach wie vor die Hauptlast liegt, den staatlichen Flankenschutz.
Der Staat, die große Politik, setzt sich in Ihrer Person an die Spitze des Sports. Auch Schily soll ja ein gewisses Interesse haben, vielleicht nach Ablauf der Legislaturperiode deutscher Sportpräsident zu werden. Sehen Sie nicht die Gefahr, daß der Sport noch stärker politisiert wird?
Also, ich sehe den Sport nicht durch die Politik dominiert. Mit meinen Ambitionen, BDR-Präsident zu werden, bin ich im Augenblick ja ein Solitär.
Ein Solitär, der in erster Linie wegen seiner ausgezeichneten Kontakte zur Bundespolitik und zur Wirtschaft, den wichtigsten Geldgebern des Sports, geschätzt wird. Fühlen Sie sich da nicht aus rein materiellen Motiven vom BDR eingespannt?
Nein, auf gar keinen Fall. Ich habe diese Verbindungen, ohne die der Sport nicht auskommen kann, das ist klar. Aber ich habe mich doch auch schon in meiner früheren Aufgabe des Bundesverteidigungsministers als Sportförderer gezeigt. Warum sollte sich diese Einstellung ändern? Ich kenne den Sport schließlich aber auch von der Basis her, ich war schließlich 17 Jahre lang Vorsitzender der SG Eintracht Lahnstein. Und im Radsport habe ich auch schon so manchen mächtigen Berg gemeistert, den Tourmalet zum Beispiel. Ich denke, ich kann da schon einige Brücken bauen und nutzen. Und ich werde sicherlich weiter mit dem Jan (Ullrich), dem Erik (Zabel), dem Danilo (Hondo) und der Hanka (Kupfernagel)
radfahren.
Was braucht der in vielerlei Hinsicht angeschlagene deutsche Sport im Augenblick am dringendsten - und was glauben Sie ihm geben zu können?
Bitte haben Sie Verständnis dafür, daß ich meine Position, meine Vorhaben und Vorstellungen zuerst am 19. Februar dem BDR-Präsidium und den Landesverbandsvorsitzenden darlegen will, bevor ich damit an die Öffentlichkeit gehe.
Bei der SG Eintracht Lahnstein waren Sie ja vor allem ein Fußball-Präsident. Sind Sie froh, daß Sie dieser Tage in der skandalumwitterten Sportart keine Verantwortung tragen?
Ich kenne den DFB-Präsidenten Theo Zwanziger gut, er stammt aus der gleichen Gegend wie ich, und wir haben auch gemeinsam im Landtag gesessen. Ich beneide ihn nicht. In der Haut vom Theo möchte ich jedenfalls nicht stecken.
Die Fragen stellte Hans-Joachim Waldbröl (Frankfurt Allgmeine Zeitung)