Freiburg (rad-net) - Simon Geschke hat dieses Jahr beim Team Cofidis seine letzte Saison als Radprofi bestritten. Er war 16 Jahre lang Teil des Profipelotons und erlebte in dieser Zeit große Veränderungen im Sport - der Spaß sei zurückgegangen. Sein persönliches Highlight war der Gewinn der Tour-Etappe 2015.
«Ich habe das Gefühl, dass es weniger Spaß am Sport und zwischen den Fahrern gibt», sagt Geschke gegenüber dem Magazin «Rouleur». Die Ursache dafür liege laut Geschke in der Entwicklung, die der Radsport im Laufe seiner Karriere erlebt hat. «Es ist kein Geheimnis, dass der Sport immer schneller geworden ist», so Geschke und bezieht sich dabei auf die Entwicklung von Ausrüstung, Trainingsmethoden und Fahrermentalität. «Es gibt mehr Höhentrainingslager, aber weniger Partys, weniger Alkohol und weniger Spaß.»
So sei der Berufsalltag eines Radprofis auch mental härter geworden, weiß Geschke: «Alles ist super ernst geworden: Alle stehen unter Druck, Verträge abzuschließen, und die Mannschaften stehen aufgrund des Abstiegssystems der UCI unter Druck. Außerdem müssen die Sponsoren bei Laune gehalten werden.» Rennen zu fahren, habe trotzdem Spaß gemacht. «Natürlich macht es uns großen Spaß, an der Tour de France und den großen Klassikern teilzunehmen. Aber der Spaß steht nicht mehr ganz oben auf der Prioritätenliste.»
Seine Karriere begann der gebürtige Ost-Berliner 2009 bei Skil-Shimano. Er erinnert sich noch gut an die Trainingslager im Winter. «Wir haben Ausdauerfahrten und nur wenig intensives Training gemacht und jeden Abend etwas getrunken. Wir waren nie besonders betrunken, aber wir sind lange wach geblieben. Jetzt trainieren wir im Dezember richtig hart und trinken vielleicht nur an einem Abend ein Bier. Jeder merkt, dass man nicht mehr rausgehen kann, wenn man hohe Leistungen erbringen will. Heutzutage will niemand mehr raus und man ist gezwungen, in seinem Zimmer zu bleiben.»
In den folgenden Jahren entwickelte sich Simon Geschke zu einem zuverlässigen Helfer, war Teil des Sprintzugs von Marcel Kittel und unterstützte Tom Dumoulin in den Bergen maßgeblich. «Erfolg spiegelt sich nicht immer in der Anzahl der Siege wider. Erfolg für mich war auch Marcel und Tom geholfen zu haben», so der 38-Jährige.
Dennoch steht Geschkes eigener Sieg ganz oben auf der Liste der Karrierehöhepunkte. 2015, damals im Trikot des Teams Giant-Alpecin, gewann er die 17. Etappe der Tour de France in Pra Loup. «Jeder träumt davon, eine Tour-Etappe zu gewinnen. Es ist der größte Erfolg eines Radprofis und mein persönliches Highlight, das Ergebnis, auf das ich am meisten stolz bin.»
Aber die Tour war auch Schauplatz seines Tiefpunkts. 2022 trug er lange das Bergtrikot, ehe es ihm Jonas Vingegaard am letzten Tag in den Pyrenäen wegschnappte. «Es war eine riesige Enttäuschung», bekennt Geschke, der der erste Deutsche gewesen wäre, der das gepunktete Trikot gewonnen hätte. «Ich würde nicht sagen, dass ich es auf dem Silbertablett serviert bekommen habe, aber ich hätte es definitiv gewinnen können und sollen. Wenn ich den ersten Anstieg an diesem Tag als Dritter überquert hätte, hätte ich genug Punkte gesammelt, um es zu gewinnen. Es war nur dieser eine kleine Fehler.»
Simon Geschke und seine Frau erwarten in den nächsten Wochen ihr erstes Kind, aber dann erwartet er nach einer längeren Pause, dass er in Radsportkreisen wieder auftaucht - in welcher Rolle wisse er jedoch noch nicht. «Radsport ist meine Heimat, es ist das, was ich am besten kenne. Ich bin mir nicht sicher, welches Team oder welche Funktion ich übernehmen möchte, aber ich weiß, dass es Möglichkeiten geben wird.»
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