Loudenvielle/Lausanne (dpa) - Der unter Dopingverdacht stehende Jan Ullrich hat sich gegen die Herausgabe seiner Bankunterlagen durch die Schweizer Behörden an die Staatsanwaltschaft in Bonn verwahrt, doch der Termin eines möglichen Prozesses gegen ihn rückt näher.
«Ich finde es nicht richtig, was mit mir gemacht wird», sagte der Ex-Radprofi dem Fernsehsender Sat.1. «In meine Bankonten kann maximal meine Frau reingucken und nicht Gott und die Welt.» Zu den gegen ihn gerichteten Dopingverdächtigungen wollte sich der in der Schweiz lebende Ullrich einmal mehr nicht äußern. Er werde zu einem späteren Zeitpunkt Stellung zu den Vorwürfen beziehen. «Ich weiß noch nicht wann. Es wird nicht heute sein und nicht während der Tour», sagte er in dem während der Tour-de-France-Übertragung des Fernsehsenders Sat.1 live ausgestrahlten Telefon-Interviews.
Ullrich, der mit dem Doping-Arzt Eufemiano Fuentes in Verbindung stand, ist nach eigener Aussage noch auf der Suche nach dem richtigen Medium. Die Bonner Staatsanwaltschaft dagegen wartet auf die frei gegebenen Schweizer Bankunterlagen Ullrichs. «Sie werden ein wichtiger Mosaikstein unserer Ermittlungen sein und den möglichen Geldfluss zu Fuentes oder ihm nahe stehenden Personen offen legen», sagte Jörg Schindler von der wegen Betrugs ermittelnden Bonner Staatsanwaltschaft der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Der im Februar zurückgetretene Ullrich, dessen DNA bereits mit dem Inhalt der bei Fuentes gelagerten Blutbeutel abgeglichen wurde, wird verdächtigt, mit dem Madrider Gynäkologen illegal zusammen gearbeitet zu haben.
Das höchste Schweizer Gericht, das Bundesgericht in Lausanne, hat sich mit einer Beschwerde Ullrichs gegen eine entsprechende Entscheidung der Staatsanwaltschaft Thurgau zur Rechtshilfe für die deutsche Justiz nicht befasst. Das bestätigte das Bundesgericht. Damit können die Thurgauer den Bonner Ermittlungsbehörden Unterlagen zu einem Konto Ullrichs übergeben, das er bei einer Bank an seinem Wohnort in Kreuzlingen unterhielt. «Das habe ich gewusst, dass irgendwann mal die Akten rausgehen», sagte er. Er habe sich prinzipiell dagegen gestellt.
Das Bundesgericht hätte sich mit dem Fall nur befasst, wenn elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden wären oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufwiese. Dies sei nicht gegeben, und außerdem würden die vorgeworfenen Strafbestände auch in der Schweiz verfolgt, hieß es in einer Gerichtsmitteilung. In diesen Fällen gilt das sonst strikte Schweizer Bankgeheimnis nicht.
Seit Jahresbeginn ermittelt die Bonner Behörde gegen Ullrich und dessen damaligen Betreuer und Trainer Rudy Pevenage (Belgien). Wann und ob es zu einem Prozess wegen Betrugs zum Nachteil des damaligen Arbeitgebers der beiden, T-Mobile, kommt, konnte Schindler noch nicht sagen: «Die Ermittlungen sind sehr umfangreich und wir erwarten weiteres Material.»
Zur Zeit würden Unterlagen der belgischen Justiz aus Hausdurchsuchungen bei Pevenage ausgewertet. Auch die Schweizer Polizei hatte Ullrichs Villa am Bodensee durchsucht und umfangreiches Material sichergestellt. Ob diese Unterlagen auch nach Bonn durchgereicht werden, steht allerdings noch nicht fest. «Auch darum bemühen wir uns natürlich», sagte Schindler.
Die Staatsanwaltschaft Bonn ermittelt zudem gegen den aktuellen T-Mobile-Profi Patrik Sinkewitz, der am 8. Juni in einer Doping- Kontrolle mit einem positiven Befund (Testosteron) aufgefallen war. «Wir prüfen, ob ein Betrug gegen das Team-Management von Bob Stapleton vorliegt», erklärte Schindler. Noch in dieser Woche soll die B-Probe von Sinkewitz, der sich von seinen nach Ende der 8. Tour- Etappe erlittenen Sturzverletzungen erholt, geöffnet werden.