Berlin (dpa) - Die Vorfreude auf diesen Sonntag ist Nils Politt anzumerken.
«Das ist schon Wahnsinn. Es ist wie ein großes Volksfest und ein Nationalfeiertag für die belgischen Radsportfans», sagte der 25 Jahre alte Radprofi drei Tage vor der 103. Flandern-Rundfahrt der Deutschen Presse-Agentur über die ganz spezielle Stimmung bei dem Radsport-Monument.
«Vlaanderens Mooiste» («Flanderns Schönste»), wie das Rennen liebevoll genannt wird, hat es wie der eine Woche später stattfindende Kopfsteinpflaster-Klassiker Paris-Roubaix dem Kölner vom Team Katusha-Alpecin angetan. «Das sind richtig harte Rennen - quasi wie Ausscheidungsfahren. Man muss über eine lange Zeit eine hohe Wattzahl fahren können. Solche Rennen sind wie auf mich zugeschnitten», betonte Politt.
Bereits im Vorjahr ließ der Allrounder mit einem siebten Platz bei Paris-Roubaix aufhorchen. Bei der Schlussetappe der Deutschland-Tour feierte der 1,92-Meter-Schlaks Ende August seinen ersten Profisieg und schloss die Rundfahrt auf Rang zwei ab. In diesem Jahr überzeugte Politt mit einem zweiten Platz im Zeitfahren der Fernfahrt Paris - Nizza. Vor einer Woche beendete er den E3-Klassiker in Harelbeke auf Platz sechs. Das Rennen gilt als Gradmesser für die «Ronde» - für die Politt mittlerweile als Geheimtipp auf einen Podiumsplatz gilt.
Die positive Entwicklung Politts ist auch der sportlichen Leitung seines Teams nicht entgangen. «Nils hat im Winter einen weiteren Schritt nach vorne gemacht. Im Rennen ist er leidensfähig und gibt alles. Mit ein bisschen Glück kann er in den kommenden Jahren bei den Monumenten ganz vorne landen», sagte Sportdirektor Dirk Demol.
«Nils ist ein guter Fahrer. Vielleicht ist dieses Jahr noch etwas zu früh für ihn, aber man weiß nie, was im Rennen passiert», sagte indes Branchen-Superstar Peter Sagan vom deutschen Bora-hansgrohe-Rennstall der Deutschen Presse-Agentur. Der dreifache Straßen-Weltmeister aus der Slowakei siegte 2016 in Oudenaarde, im Vorjahr in Roubaix.
Entsprechend selbstbewusst wird Politt den 270,1 Kilometer langen, mit 17 giftigen Anstiegen garnierten Ritt von Antwerpen nach Oudenaarde am Sonntag in Angriff nehmen. Aber auch mit dem nötigen Respekt. «Man kann Rennen wie die Ronde oder Paris-Roubaix nie voraussagen. Es kann immer viel passieren ? man kann mit einem technischen Defekt ausscheiden oder einfach mal einen schlechten Tag haben», sagte er und ergänzte: «Ich gehe mit einer gewissen Lockerheit in die Rennen. Wenn man sich zu sehr unter Druck setzt, geht es ja doch meistens in die Hose.»
Nicht so gut wie bei Politt läuft es derzeit bei Teamkollege Marcel Kittel, für den es in seinem zweiten Jahr bei Katusha-Alpecin nach einem verkorksten Jahr 2018 endlich wieder zurück in die Erfolgsspur gehen sollte. Nachdem für den deutschen Topsprinter die Saison mit einem Sieg bei der Mallorca-Challenge verheißungsvoll begann, wartet der 30-Jährige seitdem auf einen weiteren Erfolg und fährt der Konkurrenz derzeit hinterher.
«Ich weiß nicht, ob es mental oder physisch ist - wahrscheinlich eine Kombination aus beidem. Es ist momentan schwer, damit umzugehen, wenn ich ehrlich bin. Aber ich werde nicht aufgeben und weiterkämpfen», sagte Kittel nach seinem enttäuschenden 30. Platz beim belgischen Rennen Driedaagse Brugge-De Panne vor einer Woche.
«Weil wir mit Marcel nur einen echten Sprinter im Team haben, sind wir schon irgendwie auf ihn angewiesen. Wir als Team versuchen natürlich eine Lösung zu finden, um das alles wieder gerade zu biegen. Wir müssen sehen, dass sich Marcel ganz schnell wieder fängt», sagte Politt. «Ich bin überzeugt davon, dass er noch große Rennen gewinnen kann.» Er selber hat Siege bei großen Rennen noch vor sich - vielleicht ja schon am Sonntag bei «Flanderns Schönster».
Webseite Flandern-Rundfahrt (englisch)
Fahrerprofil Nils Politt (englisch)
Webseite Team Katusha-Alpecin