Hamburg (dpa) - Nach dem Abgang von Lance Armstrong, dem Tour-Dominator in den vergangenen Jahren, werden die Karten für die Konkurrenz neu gemischt. Vor allem fünf Fahrer wollen das Macht-Vakuum zur Fahrt auf den Tour-Thron nutzen.
Ivan Basso (29, Italien): Ullrichs Kontrahent aus der Lombardei träumt nach seinem Giro-Sieg vom nächsten Double eines italienischen Rennfahrers nach Marco Pantani 1998. Der Schüler von CSC-Teamchef Bjarne Riis dominierte die Italien-Rundfahrt und gewann mit dem größten Vorsprung seit 41 Jahren (+9:18 Minuten). 2005 war der Tour-Zweite der einzige Fahrer, der Lance Armstrong im Hochgebirge folgen konnte. Neben seiner Dominanz am Berg hat Basso mit Mentor Riis intensiv an seiner einstigen Zeitfahrschwäche gearbeitet. Die Frage ist, ob der Freund von Armstrong trotz seines starken CSC-Teams genug Substanz für zwei große Rundfahrten besitzt.
Alexander Winokurow (32, Kasachstan): Der Tour-Dritte von 2003 stand bei T-Mobile lange Zeit im Schatten von Jan Ullrich. Für seine vielleicht letzte Chance die Tour zu gewinnen, wechselte Ullrichs Freund als Kapitän zu Liberty-Seguros. Das Team wurde jedoch durch die Doping-Affäre um den mittlerweile zurückgetretenen Teamchef Manolo Saiz erschüttert und ging in das Team Astana-Würth über. Bis zuletzt musste Winokurow um seinen Start bangen, nachdem das Team wegen der Verstrickung in den spanischen Doping-Skandal ausgeladen werden sollte. Erst zwei Tage vor dem Prolog wies der Internationale Sportgerichtshof den Antrag der Tour-Leitung ab und gab damit Astana Grünes Licht. Es bleibt abzuwarten, wie Winokurow all dies verkraftet. Der Olympia-Zweite von Sydney fuhr dieses Jahr nur wenige Rennen. Zuletzt enttäuschte der Tour-Fünfte und zweifache Etappensieger des letzten Jahres bei der Dauphiné Libéré mit über 50 Minuten Rückstand auf Sieger Leipheimer.
Floyd Landis (30, USA): Der Phonak-Kapitän fuhr ein starkes Frühjahr: Er gewann Paris-Nizza sowie die Georgia- und die Kalifornien-Rundfahrt. Nach einer Wettkampfpause im Mai offenbarte der ehemalige Edelhelfer von Lance Armstrong jedoch ebenso wie Winokurow bei der Dauphiné Libéré noch Formschwächen. Trotzdem hat sich der Tour-Neunte des Vorjahres nach einem Jahr in seiner Rolle als Mannschaftskapitän bei Phonak etabliert. Durch eine veränderte Sitzposition verbesserte er sich noch einmal im Zeitfahren und ist in den Bergen als ehemaliger Mountainbiker auch ein guter Kletterer. Seine Spezialität sind waghalsige Abfahrten.
Alejandro Valverde (26, Spanien): Tour de France-Direktor Jean-Marie Leblanc nennt Valverde nicht umsonst «ein Juwel»: Der Kletterspezialist wurde schon mit 23 Jahren Dritter der Spanien-Rundfahrt. 2005 gewann der Kapitän von Caisse D'Epargne-Illes Balears überraschend vor Lance Armstrong die Bergankunft der 10. Tour-Etappe. Drei Tage später musste er sein Tour-Debüt wegen Knieschmerzen vorzeitig beenden. Dieses Jahr traut der fünfmalige Tour-Sieger Miguel Indurain dem Führenden in der ProTour-Wertung einen Platz auf dem Podium zu. Die Schwäche des Lüttich-Bastogne-Lüttich-Siegers bleibt das Zeitfahren. Auch sein Name fiel in der spanischen Doping-Affäre.
Levi Leipheimer (32, USA): Im vergangenen Jahr verlor Leipeimer auf der Tour-Schlussetappe noch den fünften Rang an Winokurow. Anschließend gewann der Amerikaner jedoch die schwere Deutschland-Tour vor Jan Ullrich. Der Kapitän der jungen und erfolgreichen Gerolsteiner-Truppe bereitete sich in dieser Saison akribisch wie nie auf die Tour vor. Als Sieger der Dauphiné Libéré scheint das Leichtgewicht (62 kg) pünktlich zur Tour de France in Form zu kommen. Der ehemalige Teamkollege von Lance Armstrong, der nie zusammen mit ihm die Tour bestritt, besitzt kaum Schwächen und scheint reif genug für eine Top-Platzierung zu sein.