Morzine-Avoriaz (dpa) - Im Ziel lächelte Chris Froome erleichtert, schüttelte ein wenig den Kopf und steuerte in Morzine auf seine jubelnde Entourage zu. Küsschen hier, Küsschen dort, Umarmungen folgten.
Der 31 Jahre alte Brite hat seinen dritten Sieg bei der Tour de France seit 2013 so gut wie in der Tasche. Die abschließenden 113 Kilometer am Sonntag nach Paris sind reine Formsache für den schmalen Froome, der auch die letzten Attacken im Dauerregen der letzten Alpenetappe cool parierte. Von seinem Sturz am Vortag schien er nichts mehr zu spüren. Den Tagessieg feierte nach 146,5 Kilometern der Baske Jon Izaguirre.
Froome, der 4:05 Minuten vor dem Franzosen Romain Bardet und 4:21 Minuten vor dem hoch gehandelten Kolumbianer Nairo Quintana liegt, präsentierte sich glücklich. «Ein großartiges Gefühl, ein großartiges Gefühl», stammelte Froome im Ziel. «Meine Teamkollegen waren immer für mich da - mehr kann man sich nicht wünschen», sagte der Mann im vom Regen durchgeweichten Maillot Jaune. «Froome war stark - seine Herausforderer nicht so», lobte Tour-Direktor Christian Prudhomme, der das Sky-Team des Briten mit Dauer-Titelträger Paris St. Germain im französischen Fußball verglich.
Froomes Landsmann Adam Yates behauptete als bester Nachwuchsfahrer im Weißen Trikot Rang vier. Der hinter dem Sky-Kapitän Froome zweitplatzierte Bardet versuchte sein Glück in Worte zu fassen: «Das sind ganz große Emotionen.»
Auch Izaguirre, der seinen ersten Etappensieg bei der Tour feierte, strahlte über das ganze Gesicht. «Wir konnten die Tour mit Nairo nicht gewinnen, weil Froome einfach zu stark war. Aber bei mir lief es heute super», sagte der Movistar-Profi aus dem Quintana-Team. «Wir sind hierhin gekommen, um die Tour zu gewinnen, jetzt haben wir einen Podiumsplatz und einen Etappensieg.»
Bei seiner mutigen Fahrt ins Ziel hatte Izaguirre vor allem dem Giro-Gewinner Vincenzo Nibali, der die letzte Chance auf einen diesjährigen Tagessieg ergreifen wollte, einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auf der halsbrecherischen, neun Kilometer langen Abfahrt vom Joux Plane hatte er am meisten riskiert und sogar den Abfahrt-Spezialisten aus Sizilien in die Schranken. Nibali wurde nur Dritter des Tagesklassements.
Froome, der sich am Vortag am Knie, Rücken und Ellenbogen verletzt und das Ziel im zerfetzten Gelben Trikot auf dem Rad seines Teamkollegen Geraint Thomas erreicht hatte, war noch einmal generös. Auf den letzten Metern gestatte er Quintana am Samstag noch einen kleinen Sekunden-Vorsprung. Das tat dem Briten nicht mehr weh und tat seiner Vorfreude auf die Riesenfete am Sonntag keinen Abbruch.
Regen, tiefe Temperaturen, gefährliche Kletterpartien und Abfahrten: Die 20. Etappe machte es den Protagonisten noch einmal schwer. Die ersten Abfahrten der letzten Alpenetappe nahm Froome inmitten seiner Teamkollegen fast im Hobby-Radler-Tempo. Er wurde über vier Anstiege und Abfahrten sicher ins Ziel pilotiert. Risikovermeidung um jeden Preis war seine Parole. Die letzten Meter ließ er die Beine hängen und trudelte nur noch aus.
Die Etappe hatte in Megève mit einer Schweigeminute für die Opfer des mutmaßlichen Amoklaufes von München begonnen. Der deutsche Meister André Greipel stand in der ersten Fahrerreihe neben Froome.