Poitiers (dpa) - Wout van Aert fluchte, schimpfte und zeigte Peter Sagan den Mittelfinger. Der belgische Überflieger wurde durch einen heftigen Rempler des Ex-Weltmeisters Peter Sagan vom deutschen Bora-hansgrohe-Team womöglich um seinen dritten Etappensieg bei der 107. Tour de France gebracht.
Sagan bekam Minuten später von der Jury die Quittung und wurde auf Platz 85 strafversetzt. Doch am Etappensieg des Australiers Caleb Ewan nach 167,5 Kilometern von Châtelaillon-Plage nach Poitiers änderte dies nichts. Der Teamkollege von Roger Kluge revanchierte sich in einem Wild-West-Finale für Platz zwei am Vortag und raste zu seinem zweiten Etappensieg.
Der Slowake Sagan, der zunächst als Zweiter die Ziellinie überquert hatte, war sich keiner Schuld bewusst. Dass der Superstar mit harten Bandagen im Finale kämpft, ist bekannt. 2017 hatte er im Sprint den Ellbogen gegen Mark Cavendish ausgefahren und war anschließend komplett von der Frankreich-Rundfahrt ausgeschlossen worden. Diesmal hat er nur viele Punkte im Kampf um das Grüne Trikot verloren.
Auch dank der erneuten Vorarbeit von Anfahrer Roger Kluge siegte Ewan nach dem bereinigten Ergebnis ganz knapp vor dem Iren Sam Bennett und van Aert. Bereits in Sisteron hatte er triumphiert. Damit könnte er seine Bestmarke aus dem Vorjahr mit drei Tagessiegen noch einstellen oder gar übertreffen.
«Es war sehr hektisch. Nach dem zweiten Platz am Dienstag wollte ich unbedingt gewinnen. Ich bin super happy mit dem zweiten Etappensieg. Nach dem ersten Erfolg ist der Druck abgefallen», sagte Ewan.
Die deutschen Fahrer spielten bei der nächsten Massenankunft keine Rolle, auch Altstar André Greipel konnte sich nach Platz sechs am Vortag dieses Mal nicht in Szene setzen. Dem 38-Jährigen bleibt damit im Kampf um den zwölften Etappensieg seiner Karriere als letzte Chance wohl nur noch der Königssprint auf den Champs Elysées in Paris, wo er bereits 2015 und 2016 triumphiert hatte.
Immerhin geht es dem gebürtigen Rostocker inzwischen besser, nachdem er sich in der ersten Woche mit Sturzverletzungen gequält hatte. «Der Ruhetag kam zum richtigen Zeitpunkt. Ich fühle mich besser und besser», sagte Greipel. Im nächsten Jahr dürfte der Sprinter kaum mehr ein Tour-Ticket erhalten, denn sein Rennstall Israel Start-Up Nation will dann mit Chris Froome den Toursieg in Angriff nehmen.
Favorit auf den Toursieg 2010 bleibt der slowenische Vuelta-Champion Primoz Roglic erfolgreich. Der Ex-Skispringer hatte auf der Flachetappe keine Mühe sein Gelbes Trikot zu verteidigen und liegt weiterhin 21 Sekunden vor dem kolumbianischen Titelverteidiger Egan Bernal. Emanuel Buchmann spielt keine Rolle mehr, seinen wichtigsten Helfer hat er auch verloren. Der Österreicher Gregor Mühlberger musste nach einem Infekt aufgeben.
Die Entscheidung in Poitiers fiel erwartungsgemäß im Massensprint. Bennett verteidigte dabei mit Platz zwei auch das Grüne Trikot des punktbesten Fahrers vor Ex-Teamkollege Peter Sagan vom Bora-hansgrohe-Team. «Wenn es leichte Etappen sind, ist Peter nicht schnell genug», sagte Bora-hansgrohe Sportdirektor Enrico Poitschke. Diesmal war der Slowake aber ganz nah dran - allerdings mit unerlaubten Mitteln. Allmählich wird es ernst für Sagan im Kampf um Grün, nachdem er sieben Mal in den vergangenen acht Jahren die Punktewertung gewonnen hatte.
Bennett könnte damit die Nachfolge seines berühmten Landsmannes Sean Kelly antreten, der in den 80er Jahren vier Mal das Grüne Trikot in Paris gewonnen hatte. Der frühere irische Radstar spricht Bennett entsprechend Mut zu: «Nach dem ersten Etappensieg weiß er, dass er großartige Dinge tun kann. Es hat nur etwas länger gedauert.»
Bennetts Teamkollegen waren maßgeblich daran beteiligt, dass es zu einer Massenankunft kam. Nachdem Matthieu Ladagnous früh ausgerissen war und eine starke Gruppe hinterherging, war es die Deceuninck-Quick-Step-Mannschaft, die das Feld wieder heranführte.
Am Donnerstag wird die Tour mit der längsten Etappe fortgesetzt, wenn es über 218 Kilometer von Chauvigny nach Sarran Corrèze geht. Zwei Berge der vierten sowie jeweils ein Anstieg der dritten und zweiten Kategorie könnten Ausreißern eine Chance bieten.