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03.08.2002 21:30
Europameisterschaft in Zürich: Die Bilanz
In einem aufregenden und bis zur letzten Minute spannenden Rennen über 52,1 Kilometer wurde Lado Fumic vom Team T-Mobile in Zürich hinter dem Spanier Jose Hermida Vize-Europameister. Der Spanier gewann in 1:58:47 Stunden mit 42 Sekunden Vorsprung auf Fumic und 43 Sekunden vor dem Belgier Roel Paulissen.
„Eigentlich war das heute gar nicht drin“, schüttelte Lado Fumic im Ziel seinen Kopf in dem ein strahlendes Gesicht wohnte, „die Beine waren gar nicht so gut“. Umso mehr war er selbst überrascht von seiner Leistung. Das EM-Rennen der Herren offenbarte dem begeisterten Publikum am Züricher Albisguetli aber unheimlich viele Kapitel einer interessanten Geschichte. Wie schon bei dem U23-Fahrern entwickelte sich eine Art Strassenrennen.
Aus Elf wurden Zehn, aus Zehn wurden Acht, aus Acht wurden Sechs. So reduzierte sich die Spitzengruppe quasi jede Runde um einen Weltklassebiker. Zuerst war es Weltcup-Leader Filip Meirhaeghe (Belgien), dann der Weltranglistenerste Bart Brentjens (Niederlande), dann Vize-Weltmeister Thomas Frischknecht (Schweiz), die dem Tempo, das von Bas van Dooren (Niederlande) und von Lado Fumic diktiert wurde.
„Ich bin jede Attacke mitgegangen“, erzählte Fumic. Zu jeder Zeit machte er einen starken und souveränen Eindruck. Nach der fünften von acht Runden verblieb eine Sechsergruppe, der auch noch Hermida, Christoph Sauser (Schweiz), Christophe Dupouey (Frankreich) und Roel Paulissen angehörten.
Aus der siebten Runde kam die Gruppe etwas zerrupft, van Dooren und Hermida hatten Probleme, Fumic zog das Tempo an. Doch als noch 5,5 Kilometer zu fahren waren, schlossen das abgehängte Duo wieder auf und Hermida attackierte. „Ich war eigentlich kaputt und dachte es geht noch zwei Runden. Deshalb habe ich alles versucht und bin auf gut Glück einfach Vollgas gefahren. Alle haben sich nur angeschaut und mich gehen lassen“. Keiner der Konkurrenten wollte Kraft investieren und Hermida vergrößerte seinen Vorsprung. Der Spanier bemerkte erst als er in Zielnähe war, dass er direkt vor dem Triumph stand. „Ich finde okay, dass du gewonnen hast“, gratulierte Lado Fumic im Ziel dem 25-Jährigen,
zu dem er eine herzliche Beziehung pflegt. Das verbliebene Verfolger-Quintett musste zuerst Bas van Dooren mit einem Defekt verlassen. Aus der letzten Abfahrt kam Christoph Sauser, knapp vor Fumic und Paulissen heraus. Sauser riskierte in einer Linkskurve zuviel, strauchelte und der Deutsche Meister konnte vor dem enttäuschten Schweizer Publikum passieren. In grandioser Manier
preschte Fumic 300 Meter vor dem Ziel die kurzen Rampen hinauf und überquerte vor den enthusiastischen Zuschauern als Zweiter die Zielline. „Ich konnte Jose nicht hinterher fahren, alle haben nur auf mich geschaut, da hätte ich viel Kraft investieren müssen. In so einem taktischen Rennen brauchst du auch Glück“, erklärte Fumic, der aber mit seiner Silbermedaille glücklich und zufrieden war. „Gigantisch“, nannte Teamcoach Thomas Schediwie die Vorstellung des Kirchheimers.
Den anderen Bikern aus dem Team T-Mobile ging es an diesem Tag nicht so gut. Carsten Bresser verließ das Rennen nach der Hälfte der Distanz. „Ich habe die TransAlp einfach noch nicht verkraftet, die Beine tun noch weh, aber das wird wieder besser werden“. Stefan Sahm hatte einen prächtigen Start und im Vergleich zum Vorjahr die Sachsentour besser verkraftet. „Ich hatte schon früh einen schleichenden Platten und konnte nur langsam in die Kurven fahren. Als ich dann den Schlauch gewechselt hatte, bekam ich Probleme mit dem Darm“, erklärter er, warum er erst in den letzten beiden Runden wieder an sein Leistungsvermögen herankam. Er wurde schließlich 35. mit 9:49 Minuten Rückstand.
Vor ihm lagen noch Andreas Dilger (Freiburg), der sich als 18. hervorragend verkaufte. Mit 5:09 Minuten Rückstand erreichte er das Ziel. Karl Platt (Ludwigshafen) wurde mit 7:00 Minuten Rückstand 24. , Torsten Marx kam 34 Sekunden später als 27. ins Ziel.
Dahle nicht zu bezwingen
Im Rennen der Damen über 38,5 Kilometer holte sich die Norwegerin Gunn-Rita Dahle den EM-Titel vor der Titelverteidigerin Laurence Leboucher und Sabine Spitz aus Murg-Niederhof. „Unglaublich“,nannte Dahle ihren Sieg, den sie trotz zweier Stürze in der ersten Runde mit einer couragierten Fahrt immer von der ersten Positon aus, ins Ziel gebracht hatte. Der Merida-Fahrerin hatte in dieser Saison bisher ein großer Erfolg gefehlt. Nach einer Runde hatte sich eine sechsköpfige Spitzengruppe gebildet, aus der später nur noch Spaniens Marga Fullana nicht mehr unter den Top Five vertreten war. Der Weltcup-Siegerin von Madrid und Houffalize machte wohl der einsetzende Regen am meisten zu
schaffen.
Dahle setzte sich mit Leboucher („Gunn-Rita war nicht zu schlagen“) an die Spitze und diktierte das Tempo. Barbara Blatter und Fullana bildeten das Verfolgerduo und 20 Sekunden dahinter lag das Tandem Epifanova (Russland) und Spitz. „Epifanova hat keine Führungsarbeit gemacht, ich musste das Tempo machen und versuchen aufzuschließen“. Das gelang in der vierten von fünf Runden, Fullana fiel zurück, und Sabine Spitz kam immer besser in die Gänge. „Am Anfang hat mir noch die Thüringen-Rundfahrt in den Beinen gesteckt. Gegen Schluss ging das immer besser“.
Mit einigen Attacken konnte sie die Russin schließlich abschütteln und auf den Bronzeplatz fahren, den sie höher einschätzte als die Silbermedaille von St. Wendel aus dem letzten Jahr.
Bundestrainer Frank Brückner sprach vom „Maximalen“, das in diesem Rennen für Sabine Spitz möglich gewesen sei. Gunn-Rita Dahle hatte die Thüringen-Rundfahrt offensichtlich besser weggesteckt als ihre Merida-Teamkollegin aus Deutschland und konnte in der letzten Runde Leboucher in einem packenden Finish distanzieren. In 1:42:04 war sie vier Sekunden schneller als die Französin und lag 1:55 Minuten vor Spitz. Als nächste Deutsche kam Sandra Klose (Rosenheim) auf Rang 20 (7:55 zurück) ins Ziel, auf den direkt folgenden Plätzen Regina Marunde (Berlin, 8:08 zurück), Katrin Schwing (Mosbach, 8:09), Ivonne Kraft (Gaggenau, 8:39 ). Nina Göhl (Wangen) hatte einen Defekt, musste aus der letzten Position in die zweite Runde und wurde noch 38. mit 12:58
Rückstand.
Favoritensieg von Julien Absalon
Das U23-Rennen bei der MTB-Europameisterschaft in Zürich endete für die deutsche Mannschaft dem Ergebnis nach enttäuschend. Während der Franzose Julien Absalon seiner Favoritenstellung gerecht werden konnte und nach 1:27:40 Stunden als neuer Europameister über die Ziellinie fuhr, reichte es für Jochen Käß vom Team T-Mobile mit 1:08 Minuten Rückstand nur zum achten Platz. Manuel Fumic musste bereits nach 30 Sekunden das Rennen mit Kettenschaden aufgeben.
Schon nach wenigen Minuten verzogen sich die Mienen im deutschen Lager.
Manuel Fumic, als aussichtsreicher Medaillenkandidat ins Rennen gegangen, rutschte auf der Wiese am Albisguetli das Vorderrad weg. Der 20-Jährige stürzte harmlos. „Dann sind mir zwei Konkurrenten über das Rad gefahren. Dabei hat sich die Kette verbogen und es war unmöglich weiter zu fahren“. So schilderte der Kirchheimer, natürlich mächtig enttäuscht, die Situation, die Jochen Käß zum einzigen deutschen Hoffnungsträger machte. Der Oberstenfelder zeigte sich in einer guten Verfassung. Er sprengte nach der ersten Runde mit seiner Attacke eine fast 20-köpfige Gruppe,in der sich auch der Däne Peter Riis Andersen („ich konnte Jochens Attacke nicht mitgehen) vom Team T-Mobile befand. Daraus entstand eine neunköpfige Spitzengruppe, die fast bis zum Schluss der 38,5 Kilometer Bestand hatte. „Ich habe wie Absalon immer versucht von der Gruppe wegzukommen“, erklärte Käß im Ziel enttäuscht.
„Es war nicht möglich früher weg zu fahren, das Tempo war zu hoch“, bestätigte der neue und alte Europameister aus Frankreich, der von einem „sehr, sehr taktischen Rennen“ sprach. „Als Absalon in der vorletzten Runde weg fuhr, konnte ich nicht folgen und die anderen haben resigniert“, erzählte Käß. „Jochen hat ein gutes Rennen gemacht“, zollte Bundestrainer Frank Brückner Anerkennung“, das Ergebnis ist schlechter als die Leistung“. Von den verbliebenen acht Verfolgern hatte Jochen Käß wohl die meisten Attacken gefahren und konnte deshalb nicht mehr mithalten, als die Medaillen ausgefahren wurden. Der Schweizer Florian Vogel(„ich hätte nie damit gerechnet“) wurde mit 0:45 Minuten Rückstand Zweiter, der Spanier Inaki Lejaretta ein Sekunde dahinter Dritter. Auf den Bronzerang verlor Käß nur 23 Sekunden.
Peter Riis Andersen kämpfte mit dem Kurs („ich bin kein Strassenfahrer“) und arbeitete sein Rennen mehr als, dass er es fuhr. Erst auf den letzten beiden Runden kam er besser ins Rollen und wurde noch 13., mit 2:29 Minuten Rückstand. Der 6,8 Kilometer lange Kurs in Zürich besitzt keinen steilen Anstieg und keine technisch schwierigen Passagen.
Die nächsten Deutschen kamen auf den Positionen 19 (Tim Böhme aus Singen) und 20 (Hannes Genze aus Magstadt) ins Ziel. Damit war der Bundestrainer ganz zufrieden. Vor allem Genze zeigte eine famose Aufholjagd und hätte mit einem günstigeren Start (Sturz) einen Platz unter den besten 15 durchaus realisieren können.
Das Junioren-Rennen gewann der Schwede Tomas Lowkvist vor dem Tschechen Jaroslav Kulhavy und Iouri Trofimov. Die besten Deutschen waren Markus Kauffmann auf Rang Zwölf und Benjamin Rudiger auf Platz 20. Bei den Juniorinnen setzte sich die Schweizerin Bettina Schmid vor Eva Lechner aus Italien und Petra Bublova aus Tschechien. Adelheid Morath und Almut Grieb belegten die Plätze Sieben und Acht.
Text: Erhard Goller
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