Berlin (dpa) - Doping im Radsport ist nach Auffassung von Eddy Merckx in erster Linie ein ökonomisches Problem. In einem «L'Équipe»- Interview vertrat der wegen seines unstillbaren Hungers auf Siege einst «Kannibale» genannte Belgier zum Teil provokante Thesen.
«Doping zahlt sich aus. Die Medien bekommen ihr Publikum, die Laboratorien und die chemische Industrie machen damit Profit und PR. Diejenigen, die in Doping-Kontrollen investieren, wollen ein profitables Geschäft», sagte Merckx, der als langjähriger Freund Lance Armstrongs gilt.
«Die Radsportler sind für die gesamte Presse seit 30 Jahren beim Thema Doping die Schwarzen Schafe. Seit Tom Simpson 1967 auf dem Mont Ventoux starb, wird Radsport mit Doping in Verbindung gebracht. Heutzutage noch mehr - aus moralischen Gründen», sagte der fünffache Tour-de-France-Gewinner, der den in die Doping-Schlagzeilen geratenen Armstrong verteidigte, dem in nachträglich untersuchten Urinproben von 1999 im Labor Chatenay-Malabry bei Paris Doping nachgewiesen wurde. Das hatte am 23. August die französische Sportzeitung «L'Équipe» publiziert.
«Ich habe Zweifel an dem Labor und ich frage mich: Warum Armstrong und die anderen nicht? Warum nur Radsportler und nicht die französischen Fußballer des Weltmeister von 1998?», bemerkte der inzwischen 60-jährige Merckx, der am Stadtrand von Brüssel hochwertige Fahrrad-Rahmen herstellt.
Der populäre Belgier, gemeinhin als «bester Radprofi aller Zeiten» apostrophiert, zu aktiven Zeiten allerdings auch «positiv», rät zu einer neuen Definition des Dopings: «Es muss festgelegt werden, wo es beginnt und wo es aufhört. In Belgien gibt es ein Produkt, das ist für Fußballer erlaubt, im Radsport ist es ein Doping-Produkt. Ich habe immer an den Kampf gegen Doping geglaubt. Aber ich war nie für 'null Toleranz' in dieser Frage, weil es nicht realistisch ist und nicht im Einklang mit dem hohen Level des Sports steht.»
Nach wie vor glaube Merckx, dass «man eine große Tour ohne Doping gewinnen kann», auch wenn er es wissenschaftlich nicht beweisen könne. «Wenn man das Gegenteil glaubt, soll man gleich mit dem Sport aufhören», sagte der Champion vergangener Zeiten.