Leipzig (dpa) - Doping macht auch vor den «Jedermännern» nicht halt. Immer mehr Hobby-Fahrer greifen nach Ansicht des ehemaligen Radprofis Jan Schur zu verbotenen Mitteln.
«Sie nehmen auch die gedopten 'Renner' nach wie vor zum Vorbild», warnt der zweimalige Teilnehmer der Tour de France. Deshalb sieht er das wachsende Feld der Hobby-Fahrer auch bei der diesjährigen Deutschland-Tour mit gemischten Gefühlen. «So verdorben wie das gesamte Umfeld ist, müsste man Radsport eigentlich von allen Sendern nehmen, um den Breitensport zu schützen», fordert der 44-Jährige. «Wie viele im Jedermann-Bereich an Folgen von Doping sterben, werden wir nie erfahren.»
Schur hat bereits vor dem Bundestag über die Gefahr des Dopings im Breitensport referiert. Doch fand er bisher nur wenig Gehör. Dabei ist Doping längst nicht nur ein Problem des Spitzensports, sondern auch unter ambitionierten Hobbysportlern weit verbreitet. «Davon muss man leider ausgehen. Denn die Versuchung ist groß, mit dem eigenen Körper zu experimentieren», meint Dietmar Luppa. Der renommierte Professor für Sportbiochemie und Sportphysiologie an der Universität Leipzig verweist darauf, dass Präparate und Anleitungen dazu leicht zu bekommen sind. Es existieren sogar zahllose Bücher, die sich explizit an Freizeitsportler richten.
Im Profi-Radsport weiß man inzwischen, was manche Siege wert sind. Weder die tränenreichen Dopingbeichten einstiger Idole noch die gesundheitlichen Probleme ehemaliger Champions haben an der Begeisterung und dem Ehrgeiz der Hobbyfahrer etwas geändert. Die Bedeutung der Jedermann-Rennen aber wächst. Kaum ein Veranstalter verzichtet auf sie, bringen sie doch Werbung und Einnahmen.
Bei der Deutschland-Tour kann beispielsweise jeder in Sölden den 13 Kilometer langen Schlussanstieg der fünften Etappe fahren. Der Veranstalter fordert direkt auf, sich mit den Profis zu vergleichen. Die Organisatoren vermelden stolz, dass der Sieger des Jedermann-Zeitfahrens im Vorjahr auf identischer Strecke nur sechs Minuten langsamer war als der Sieger bei den Profis, und damit 125. geworden wäre. «Dabei sollten sie sich lieber nicht am Hochleistungssport orientieren», kritisiert Schur.
Die Nebenwirkungen des Dopings sind bekannt. So kann das Blutdopingmittel EPO zu Thrombose und damit zu Schlaganfall oder Herzinfarkt führen; Anabolika verursacht schwere Leberstörungen. «Die zahlreichen Nachrichten von der weiten Verbreitung des Dopings können verhängnisvolle Auswirkungen haben», glaubt Professor Luppa. «Da denkt mancher, dass die Risiken gar nicht so schlimm sein können, wenn in manchen Sportarten fast jeder über viele Jahre gedopt hat, aber über gesundheitliche Folgen gemessen an der weiten Verbreitung nur selten berichtet wird», erklärt Luppa. Deshalb warnt auch Schur: «Zusätzliche Warnhinweise auf den Medikamenten könnten im Breitensport eher als Aufforderung missverstanden werden.»