Zoncolan (dpa) - Der «Killer» hat sein Werk so gut wie vollendet. Danilo di Luca, der sich diesen martialischen Spitznamen wegen seiner finalen Entschlossenheit bei seinem ProTour-Triumph 2005 verdiente, ist der Gesamtsieg beim 90. Giro d'Italia kaum noch zu nehmen.
Als einer von fünf Favoriten gestartet, hat er dieser Italien-Rundfahrt als «gelernter Klassiker-Spezialist» seinen Stempel aufgedrückt und die Attacken seiner schärfsten Konkurrenten pariert. Im entscheidenden Augenblick trat Di Luca selbst an: Als er bereits von seinem früheren «Saeco»-Kumpel Eddy Mazzoleni geschlagen schien, hat er den Rückstand verkürzt und das Rosa Trikot zurückerobert. In all die Freude platzte die Nachricht, dass der CONI-Chefankläger Ettore Torri eine Doping-Anklage gegen di Luca und Mazzoleni plant.
In seiner Dominanz erinnert der Danilo di Luca des Jahres 2007 an den letztjährigen Giro-Sieger Ivan Basso. Doch anders als «Ivan der Schreckliche» hat «Danilo der Killer» der Konkurrenz Luft gelassen. Der Stern des jüngeren Schleck-Bruders Andy konnte bei diesem Giro aufgehen, der des südlich der Alpen als neuer Pantani gefeierten Riccardo Ricco an Strahlkraft zunehmen. Der kühle Rechner di Luca, der übrigens auf sonst obligatorischen Sprechfunk im Rennen verzichtet und seine Entscheidungen allein trifft, ließ Ricco zu einem beeindruckenden Etappensieg auf der «Königsetappe» kommen: «Auf ihn muss ich nicht aufpassen. Er ist zu jung, um diesen Giro gewinnen zu können. Auch 2008 wird er noch nicht so weit sein.»
Der 31-jährige di Luca fühlt sich im richtigen Alter für große Triumphe. Ihn locken WM und Olympische Spiele. «Der Rundkurs in Peking liegt mir», sagt er. Die Tour de France wird er bis dahin mit Missachtung strafen. «Sie passt nicht in meinen Saisonablauf», hatte der Liquigas-Kapitän nach seinem Sieg bei Lüttich-Bastogne-Lüttich im April dem verblüfften Vertreter des französischen Onlinedienstes velo-club.com erklärt.
Di Lucas Frankreich-Abstinenz geht auf das Jahr 2004 zurück. Der damalige Tourchef Jean-Marie Leblanc hatte ihm und 14 anderen in die Dopingaffäre «Oil for Drugs» verwickelten italienischen Radprofis das Startrecht verweigert. Ein Staatsanwalt hatte sich nach einem mysteriösen Todesfall eines Rad-Amateurs an die Fersen des Sportmediziners Carlo Santuccione geheftet und einen weit reichenden Dopingring aufgedeckt. Neben di Luca gehörte auch Mazzoleni zu den Klienten des als «Ali der Chemiker» berüchtigten Arztes.
Mazzoleni sagte Santuccione in einem von der Polizei abgehörten Telefonat: «Ich habe mit Danilo gesprochen, denn für Sonntag habe ich mir 4000 Einheiten subcutan gespritzt... und (nun) fahre ich Samstag ... Samstag, gibt es da Probleme?». Bei den «Einheiten» soll es sich um EPO gehandelt haben. Das Medikament war, anders als die halbherzigen Beichten der ehemaligen Telekom-Fahrer Glauben machen wollen, auch nach der Jahrtausend-Wende im Radsport heftig nachgefragt. Mazzoleni selbst war in der letzten Saison von T-Mobile als «Berg-Lokomotive» für Jan Ullrich verpflichtet worden.
Jetzt profitiert der ewige Helfer vom Sturzpechs des etatmäßigen Astana-Kapitäns Paolo Savoldelli und hat noch Chancen aufs Podium in Mailand. «Ali der Chemiker» könnte ihnen dann zujubeln, wenn ihm sein Job als Stadtrat für Sport in Cepagatti nahe Pescara die Zeit dafür lässt. Und auch der aktenkundige Sportarzt Michele Ferrari wird sich freuen. Mazzoleni hatte nach Auskunft des «Corriere della Sera» im Frühjahr ein Trainingscamp von Ferrari auf Teneriffa besucht.