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Michal Kwiatkowski kommt als neuer Weltmeister ins Ziel. Foto: Javier Lizon
28.09.2014 18:06
Deutsche Radprofis fahren WM-Titel hinterher

Ponferrada (dpa) - Die ganz große Enttäuschung war bei John Degenkolb erst nach einem langen und innigen Kuss seiner schwangeren Frau Laura verflogen.

«Ich habe das Potenzial, da vorne mitzufahren. Dort sehe ich mich auch in Zukunft. Für die letzte Attacke hatte ich nicht mehr genug Power. Ich habe mich während des gesamten Rennens nicht super wohlgefühlt und den letzten Punch vermisst», haderte der gesundheitlich angeschlagene WM-Kapitän, dem beim WM-Triumph des Polen Michal Kwiatkowski die entscheidenden Kräfte gefehlt hatten.

Der von Ehrgeiz getriebene Degenkolb kämpfte sich bei der Straßenrad-WM in Ponferrada mit einem Rückstand von sieben Sekunden noch auf einen achtbaren neunten Platz. Für den ersten deutschen WM-Titel seit dem Triumph von Rudi Altig vor 48 Jahren auf dem Nürburgring reichte die Form aber nicht. «Bei der Vorgeschichte von John war heute nicht mehr drin. Unter anderen Umständen hatte es anders ausgesehen», ergänzte Tony Martin mit Blick auf Degenkolbs Krankenhaus-Aufenthalt in der Vorwoche. Wegen eines entzündeten Lymphknotens hatte der Thüringer nach der Vuelta sechs Tage im Krankenhaus gelegen und dort wohl seine Bestform verloren. «Ich bin stolz auf ihn», betonte Laura Degenkolb.

Auch Martin hatte am Sonntag nichts unversucht gelassen, den deutschen WM-Fluch zu beenden. Doch eine Soloflucht gut 60 Kilometer vor dem Ziel war nicht von Erfolg gekrönt. Er habe die Konkurrenz mal testen wollen, sagte Martin, der eine Trotzreaktion gezeigt hatte, nachdem er am vergangenen Mittwoch von Bradley Wiggins als Zeitfahr-Weltmeister entthront worden war.

So kam es zum großen Finale am letzten Anstieg, den Kwiatkowski als erster hinaufstürmte. Nach 254,8 Kilometern rettete er einen hauchdünnen Vorsprung von einer Sekunde auf den Australier Simon Gerrans und dem Spanier Alejandro Valverde ins Ziel. Kwiatkowski, ein Teamkollege von Martin bei Omega Pharma-Quickstep, stieg zum ersten polnischen Weltmeister in der 87-jährigen WM-Geschichte auf.

Für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) war es aber auch ohne eine Medaille beim Finale eine überaus erfolgreiche WM, schließlich hatten zuvor Shootingstar Lisa Brennauer Gold und Silber in den Frauenrennen sowie Martin Silber im Zeitfahren geholt. Dazu fuhren die Junioren Lennard Kämna und Jonas Bokeloh zwei weitere Weltmeistertitel ein. «Wir haben die meisten Medaillen geholt und die Erwartungen voll erfüllt. Wir können sehr zufrieden sein. Auch im Männer-Rennen haben wir alles gemacht, was möglich war», bilanzierte BDR-Vizepräsident Udo Sprenger.

Bei einsetzendem Regen ging es auf den letzten fünf von 14 Runden richtig zur Sache. Zunächst sorgte die italienische Fraktion um Tour-Vincenzo Nibali für eine deutliche Tempoverschärfung. Dann ergriff Martin die Initiative. Gut 60 Kilometer vor dem Ziel attackierte der Wahlschweizer und fuhr einen Vorsprung von einer halben Minute heraus. Erinnerungen an die Vogesen-Etappe bei der Tour wurden wach, als Martin in ähnlicher Weise einen beeindruckenden Sieg herausgefahren hatte. Doch die Konkurrenz passte diesmal auf. Nach 20 Kilometern an der Spitze stellte Martin mit einem Lächeln im Gesicht sein Unterfangen ein.

Degenkolb war dagegen im Hauptfeld immer gut positioniert. Nur im Finish fehlte die letzte Kraft. In den vergangenen Tagen hatte es ein Rätselraten um die Form des WM-Vierten von 2012 gegeben. Schließlich hatte Degenkolb erst vor gut einer Woche das Krankenhaus verlassen, nachdem er wegen eines entzündeten Lymphknotens mit der Größe eines Tischtennisballs außer Gefecht gesetzt worden war.

Das Zuschauerinteresse war wie in der gesamten Woche indes einer WM nicht würdig. Lisa Brennauer dürfte die Wettkämpfe trotzdem in bester Erinnerung behalten. Vor gut einer Woche war sie nur den Kennern der Branche ein Begriff, bei der WM startete sie aber durch: Weltmeisterin im Team- und Einzelzeitfahren, und zur Krönung holte die Sportsoldatin auch noch Silber im Straßenrennen. «Das war meine Woche», betonte sie.

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