Frankfurt/Main (dpa) - Der Stachel sitzt tief bei John Degenkolb. «Ich habe noch eine Rechnung offen», sagt der 26-Jährige vor dem Radrennen «Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt» am Freitag.
Vor einem Jahr hatte der Norweger Alexander Kristoff vom russischen Team Katusha dem Lokalmatadoren den Sieg vor der Nase weggeschnappt. Jetzt will Degenkolb den Spieß umdrehen und nach dem Ritt über die Taunushügel vor der Alten Oper zum zweiten Sieg nach 2011 sprinten. Die entscheidende Motivation soll Söhnchen Leo-Robert liefern: Den Fußabdruck des vier Monate alten Knirpses hat Gattin Laura aufs Oberrohr des Arbeitsgerätes geklebt. «Ich schau' immer drauf. Das gibt mir Kraft», sagte der junge Familienvater.
In Degenkolb und Kristoff treffen bei der 54. Auflage des Klassikers, der einst als «Rund um den Henninger Turm» bekannt wurde, die Protagonisten des Radsport-Frühlings aufeinander. Für Veranstalter Bernd Moos-Achenbach eine Auszeichnung. «Darauf sind wir stolz», sagte der Macher der Traditionsveranstaltung.
In der Bilanz von Kristoff stehen elf Siege, doch bei Mailand-Sanremo musste der Norweger als Titelverteidiger Degenkolb den Sieg überlassen. Der in Gera geborene Wahl-Frankfurter setzte dann mit dem ersten deutschen Erfolg nach 110 Jahren beim gefürchteten Kopfstein-Rennen Paris-Roubaix noch einen drauf und schrieb damit Radsport-Geschichte.
«Ich will gewinnen. Der 1. Mai ist ein ganz wichtiges Datum für mich. Keiner wohnt näher an der Ziellinie als ich», betonte der Sprinter des deutschen World-Tour-Teams Giant-Alpecin. Ohne die Hilfe seiner Teamkollegen aber wird «Dege» nach den Strapazen im Taunus nicht in der Spitzengruppe auf die letzten der 206 Kilometer in der Frankfurter City kommen. 2160 Höhenmeter sind zu bewältigen, gleich viermal muss der Mammolshainer Berg mit einer maximalen Steigung von 22 Prozent bezwungen werden. «Ich bin sehr zufrieden mit der Auswahl», betonte der 26-jährige Degenkolb, der sich gegenüber Kristoff als «etwas besserer Bergfahrer» sieht.
Für Deutschlands Rad-Star beginnt damit auch die Vorbereitung auf die Tour de France. Degenkolbs Ziel ist der erste Etappensieg bei der Frankreich-Rundfahrt. «Der fehlt mir noch. Wenn es zwei werden, sage ich auch nicht nein», meinte Degenkolb. Auch bei der Rad-WM im September in den USA will der ehrgeizige Frankfurter um den Sieg kämpfen.
Die Augen der Zuschauer an der Strecke in Frankfurt werden Degenkolb und Kristoff suchen. Doch es sind viele herausragende Pedaleure dabei: Die Italiener Filippo Pozzato (Lampre) oder Ex-Giro-Sieger Damiano Cunego (Nippo-Vini Fantini) machen sich wie die deutsche Elite um den zweimaligen Frankfurt-Gewinner Fabian Wegmann (CULT) Hoffnungen. Den Siegerpreis «Bulle und Bär» gibt es nicht ohne schweißtreibende Arbeit aus den Händen von Bundesjustizminister Heiko Maas. Insgesamt 21 Mannschaften nehmen die Herausforderung an, darunter auch das zweite deutsche Profi-Team Bora-Argon 18.