Berlin/Lucca/Essen (dpa) - Am 23. März läuft die Doping-Sperre Jan Ullrichs ab, aber sein Team Coast hat immer noch keine Lizenz. Mannschafts-Patron Günther Dahms machte dem Internationalen Radsport-Verband UCI Vorwürfe, durch die Verhängung der Team-Sperre seit jetzt zehn Tagen ein «faktisches Berufsverbot» für 25 Profis verhängt zu haben. UCI-Straßen-Koordinator Alain Rumpf hatte erklärt, dass der Verband immer noch auf Coast-Unterlagen wartet.
«Das wird durch kein Gesetz gedeckt, auch nicht durch die Regeln der UCI. Es gibt keinen Grund für einen Lizenzentzug, den ein Gremium beschlossen hat, in dem Teamleiter unserer Konkurrenz sitzen», sagte der Essener Textilkaufmann Dahms, der auf Veranlassung der UCI wegen angeblich säumiger und unregelmäßiger Zahlungen in jedem Monat den reibungslosen Zahlungsverkehr mit Bankbelegen nachweisen muss. «Die UCI fordert die Bestätigung der Bestätigung der Bestätigung - das ist doch peinlich», erregte sich der Coast-Chef.
Dahms dementierte, dass Ullrich in drei Jahren zusammen über zehn Millionen Euro verdienen soll: «Völlig aus der Luft gegriffen. Die Vertragsinhalte kennen nur zwei oder drei Personen. Ich glaube nicht, dass Ullrich über die konkreten Zahlen redet», meinte Dahms. «Egal, was passiert, ich bereite mich weiterhin gewissenhaft auf mein Comeback vor», sagte der 29-jährige Olympiasieger in seinem Trainingslager in der Toskana in einem Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung».
«Ich hoffe, dass alles so schnell wie möglich wieder in Ordnung kommt und die Probleme ein für alle Mal aus der Welt geschafft werden. Für meine Moral war der Lizenzentzug natürlich nicht gut und für das Image des Teams auch nicht», sagte Ullrich, der mit seinem Team (Tobias Steinhauser, Betreuer Rudy Pevenage und eigener Physiotherapeutin) in einem idyllischen Landgut bei Lucca abgestiegen ist.
«Ich habe mir eine lange Saison vorgenommen und arbeite nicht wie in der Vergangenheit nur auf die Tour de France hin. Ich bin überzeugt, dass ich mit meinem jetzigen Aufbau einen höheren Level als jemals zuvor erreichen kann. Ich lasse mich nicht mehr im Aufbau zu Fehlern zwingen, nur weil jemand von mir erwartet, dass ich die Tour gewinne. Es gibt im Herbst eine Weltmeisterschaft in Kanada, und ich wäre glücklich, wenn ich dort wieder zur Weltklasse zählen würde», erklärte Ullrich, der abermals festhielt, dass er in diesem Jahr noch «nicht der große Herausforderer» des vierfachen Tour- Siegers Lance Armstrong (USA) sein wird.
Pevenage reist von der Toskana zum Krisengespräch nach Essen. Der Belgier hatte noch Optimismus verbreitet, er rechne nach einem Gespräch mit der UCI mit der baldigen Lizenzrückgabe. Der im vergangenen Jahr zwei Mal am Knie operierte Ullrich soll am 8. April beim Circuit de la Sarthe in Frankreich nach 14 monatiger Pause sein erstes Rennen bestreiten. Allerdings müsste die UCI bis dahin auch seinen Vertrag sanktionieren, der noch nicht vorliegt und mit einer erneuten Kaution für drei Monatsgehälter ausgestattet sein müsste. Dahms: «Da sind noch Versicherungsfragen zu klären.»