Madrid/Paris (dpa) - Die 94. Tour de France hat den Sieger, den sie verdient: Alberto Contador ist Nachfolger des überführten Dopers Floyd Landis, der immer noch auf sein Urteil wartet. Auch auf Contador lastet der Verdacht, doch sein Sportdirektor ist voll des Lobes.
Die spanische Presse feiert Contador überschwänglich. «Er ist der neue Lance Armstrong», sagte Johan Bruyneel, Sportchef des Teams Discovery Channel. Bruyneel weiß, wie es geht: Er hat den Texaner, der beim entscheidenden Zeitfahren hinter Contador im Begleitwagen saß, zum Rekord von sieben Toursiegen in Serie geführt. «Lance war eine große Motivation», sagte der Träger des Gelben Trikots.
In seiner Heimat wird Contador als neuer Hoffnungsträger gefeiert. Nicht erst nach dem Rauswurf des Dänen Michael Rasmussen in der Nacht zum 26. Juli ist der 24-jährige Spanier der neue Liebling. Einige vergleichen ihn sogar schon mit seinem Landsmann und fünfmaligen Toursieger Miguel Induráin. Die spanische Presse, die im Vorjahr viel zur Aufdeckung der Fuentes-Affäre tat und mithalf, Jan Ullrich und Ivan Basso zu entlarven, übt sich beim Thema Doping in Verbindung mit Contador in vornehmer Zurückhaltung.
«Er hat eine einzigartige Gabe. Einige nennen es Klasse, andere Genialität», schwärmte Spaniens führende Zeitung «El País», nachdem der Jungstar in Plateu de Beille in den Pyrenäen seinen ersten Tour-Etappensieg eingefahren hatte. «Er kommt aus einer anderen Welt», schrieb das Blatt über den Profi mit den «Feuerbeinen» weiter. Contador reagiert etwas verlegen auf so viel Lob. «Ich fühle mich geehrt, so etwas zu hören. Aber ich bin der Nachfolger von niemandem. Ich bin einfach Alberto Contador.»
Ein anderes Thema hört er allerdings ungern. «Ich war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort», pflegt der 24-Jährige zu sagen, wenn er darauf angesprochen wird, dass sein Name im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit dem Skandal um den mutmaßlichen Dopingarzt Eufemiano Fuentes aufgetaucht ist. Damals fuhr Contador im Liberty-Team von Manolo Saiz, der als eine der Hauptfiguren des größten Dopingskandals in der Geschichte des Radsports gilt. Unter Saiz war Contador 2003 auch Profi geworden, damals im ONCE-Team.
Contadors Name wurde jedoch schon bald von der Liste der in der «Operación Puerto» (Operation Bergpass) verdächtigten Fahrer gestrichen. Spekuliert wird, der 24-Jährige habe sich den Ermittlern als Zeuge gegen Fuentes zur Verfügung gestellt. Er selbst sagt, es sei alles bloß «ein Irrtum» gewesen. «Schon nach vier Tagen hat mich der Weltverband UCI entlastet.» Die Ermittlungen sind inzwischen eingestellt, und seither ist der Skandal in Spanien kein großes Thema mehr. Fuentes durfte kürzlich sogar an einer staatlichen Universität einen Vortrag halten.
Schon eher wird über Contadors Aufstieg bei Discovery gesprochen. Dass er überhaupt noch im Radsport ist, hat er einem schweren Sturz bei der Asturien-Rundfahrt Anfang 2004 zu verdanken. Die Ärzte stellten damals im Krankenhaus fest, dass er schon längere Zeit mit einer lebensgefährlichen Gefäßerweiterung (Aneurysma) im Gehirn lebte. Sechs Monate nach einem riskanten Eingriff saß er wieder auf dem Rad, im Jahr darauf fuhr er seine erste Tour de France. Mit seinen 1,76 Metern und 61 Kilogramm gilt er als idealer Kletterer. In den Alpen und Pyrenäen zog er zusammen mit Rasmussen eine bizarre Leistungs-Show ab, die viele Beobachter nur ungläubig mit dem Kopf schütteln ließ.
«Ich bin clean und weiß nicht mal, wie Fuentes aussieht», sagte Contador. Die Initialen AC als Kürzel für «Alberto Contador» in den Fuentes-Unterlagen und Medikationsplänen, die der Guardia Civil vorliegen, hätten nichts mit ihm zu tun, sagte der Spanier nach dem Zeitfahren in Angouleme. «Auch wenn es nicht fair ist, ich würde meine DNA-Probe abgeben, wenn es von mir verlangt würde», sagte Contador, der sich durch die Absichtserklärung, die vor der Tour alle Starter abgeben mussten, dazu bereit erklärt hat.
«Contadors wirklicher Feind sind die Tour-Organisation und die Medienmeute rundherum. Nach dem Rauswurf von Rasmussen suchen die Raubtiere ein neues Opfer. Wegen seiner Unerfahrenheit, seiner Jugend und vor allem, weil er nun führt, ist Contador der Auserwählte», schrieb «Marca».
Sein erstes eigenes Rad bekam das neue spanische Sport-Idol mit 15 zu Weihnachten. «Es war ein Mountainbike», erinnert er sich. Der Toursieger 2007 stammt aus Pinto, einem rund 40 000 Einwohner zählenden Arbeiter-Vorort südlich von Madrid. Er wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Contador hat drei Brüder, der jüngste von ihnen ist geistig schwerbehindert. Um seine Karriere konnten sich seine Eltern deshalb nicht kümmern. Das erste Rennrad schenkte ihm sein Onkel. In Pinto ist er heute ein Volksheld.