Mannheim (dpa) - Erik Zabel hat sich von Sensationssieger Gerald Ciolek bei den Deutschen Meisterschaften in Mannheim die Show stehlen lassen und den fest eingeplanten dritten Titel nach 1998 und 2003 verpasst.
Nach 204 Kilometern beendete der im September 19 Jahre alte werdende Überraschungsmeister aus Pulheim die zwölfjährige Siegesserie des T-Mobile-Teams. Seit 1993 hatten die Bonner - vornehmlich als Team Telekom - immer den Meister gestellt. «Ich brauche sicher noch eine Weile, bis ich das alles kapiere. Ich fühle mich wie erschlagen», sagte Ciolek, der Energie-Elektriker lernt.
Die unerwartete Niederlage bedeutete für Vize-Weltmeister Zabel einen weiteren Dämpfer nach der Demission durch die Teamleitung für die Tour de France. Der knapp 35-jährige Berliner kam im Massensprint hinter dem Sensationssieger Ciolek vom Team Akud und Robert Förster vom Team Gerolsteiner aus Markkleeberg auf Rang drei und hatte keine Chance auf eine bessere Platzierung.
«Das ist ein absolutes Talent. Wenn man bedenkt, dass ich bald 35 und Hondo auch schon 30 ist, könnte Gerald in die Lücke stoßen. Ich könnte mir vorstellen, ihn unter meine Fittiche nehmen», sagte der geschlagene Zabel, der seinen enormen Frust unmittelbar nach Zieldurchfahrt bei der Pressekonferenz schon wieder heruntergeschluckt hatte. Ob sein Hilfsangebot an Ciolek einem Arbeitsplatzangebot für T-Mobile gleichkam, ließ Zabel, der seinen Vertrag bei den Bonnern noch nicht verlängert hat, offen: «Wir setzen uns zusammen, um zu entscheiden, bei welchem ProTour-Team wir vielleicht zusammen fahren.»
«Heute beim Frühstück habe ich Gerald noch geflachst und gesagt: Du putzt sie heute alle weg. Er hat's tatsächlich geschafft. Das ist eine Riesen-Überraschung», sagte Zabels ehemaliger Konkurrent Marcel Wüst, der im drittklassigen Ciolek-Team Akud manchmal mit dem 18-Jährigen trainiert und ihm Tipps gibt. Der neue Meister war im Vorjahr noch Junior und hatte nur mit Mühe ein Team für 2005 gefunden.
Jan Ullrich, der in der Schweiz letzte Trainingseinheiten vor dem Tour-Start absolviert, war nicht am Start. Der in der Schweiz lebende Titelverteidiger Andreas Klöden rollte lustlos mit und platzierte sich nicht im Vorderfeld. «Wir wollten das Rennen gewinnen. Aber jede Siegessserie geht einmal zu Ende. Mit der Leistung des Teams bin ich zufrieden», erklärte T-Mobile-Manager Olaf Ludwig, der noch einmal Zabels Tour-Aus kommentierte: «In den Toursprints wäre er völlig auf sicher allein gestellt gewesen. Wir setzen alles auf Gelb.»
Der zwölffache Tour-Etappengewinner schien den nationalen Titel von seiner Mannschaft quasi auf dem Silbertablett serviert zu bekommen. Die mit 14 Fahrern stärkste Formation hielt das Rennen zusammen und sorgte damit für einen finalen Spurt, den Ciolek mit mächtigem Antritt auf den letzten 75 Meter völlig unbedrängt gewann. Etwa 100 Meter vor dem Ziel hatte Zabel noch relativ eindeutig geführt.
Das Tempo auf dem bis auf eine kleine Welle pro Runde flachen Kurs war immens. Das Stundenmittel lag über 46 Kilometer. Deshalb konnte sich für kurze Zeit nur eine nennenswerte Spitzengruppe formieren, in der unter anderen die Gerolsteiner-Profis Fabian Wegmann und Torsten Schmidt sowie vom T-Mobile-Team Matthias Kessler fuhren. Doch 50 Kilometer vor dem Ziel war die sechsköpfige Spitzengruppe gestellt. Bei strahlendem Sonnenschein säumten mehrere zehntausend Zuschauer den Innenstadt-Kurs - viele von ihnen zeigten Transparente mit Ergebenheits-Adressen an Zabel.
Vor den 103 Elite-Fahrern fuhren die Frauen ihre Meisterin über einen 108 Kilometer-Kurs aus. Den Ton gaben erwartungsgemäß die Fahrerinnen des Profiteams Nürnberger Versicherung an. Die Favoritin Regina Schleicher (Karbach) siegte im Massensprint vor ihrer Team- Kollegin Tanja Hennes (Attendorn) und trat die Nachfolge der inzwischen nicht mehr aktiven Olympiasiegerin Petra Roßner an.