Berlin (dpa) - Das T-Mobile-Team, runderneuert und anders ausgerichtet, ist auf dem richtigen Weg. Marcus Burghardt könnte mit seinem Überraschungssieg bei Gent-Wevelgem ein erster Beweis gelungen sein, dass sich ein scharfer Anti-Doping-Kurs und große Erfolge nicht ausschließen.
«Siege sind nie lebensnotwendig. Aber dieser war extrem motivierend für die Mannschaft, besonders nach Cioleks Sturzpech am Ostermontag in Köln», freute sich Teamchef Rolf Aldag (Ahlen), der in Bonn mit Manager Bob Stapleton (USA) für den Neuanfang in der Ära nach Jan Ullrich steht.
Zu Beginn seiner Profi-Karriere fuhr Burghardt Rennen oft an der Seite Ullrichs. Trainiert wird der 23-jährige Chemnitzer von Thomas Schediwie, der auch die arrivierten Steffen Wesemann und Andreas Klöden betreut. Mit seinem nach 207 Kilometern clever herausgefahrenen Sieg beim belgischen Klassiker ist Burghardt auf gutem Weg, auch ein großer Name im Radsport zu werden. «Wie er seine Attacke 1200 Meter vor dem Ziel gefahren ist, ohne sich umzuschauen, volle Kanne - das zeugt von Optimismus. Das war beeindruckend», meinte Aldag, der sich nach Bernhard Eisels Etappen-Erfolg bei der Algarve-Rundfahrt über den zweiten Saisonsieg freuen durfte.
Der 1,90 Meter-Hüne aus Chemnitz ist wie geschaffen für die schweren, flämischen Kopfsteinpflaster-Klassiker und will auch bei Paris-Roubaix eine Rolle spielen. «Aber das ist eine komplett andere Geschichte. Das Rennen ist 60 Kilometer länger und bietet ganz andere Anforderungen. Aber ich fühle mich stark», sagte Burghardt, der als erster des hoffnungsvollen Nachwuchses bei T-Mobile noch vor Gerald Ciolek, Linus Gerdemann oder Patrik Sinkewitz in großem Stil von sich reden machte. Der Brite Roger Hammond rundete die Bonner Erfolgsstory in Wevelgem als Zweiter richtig ab.
Bei ihrem Pokerspiel im Finale hatten die beiden aus einer fünfköpfigen Spitzengruppe sogar den dreifachen Weltmeister und aktuellen Mailand-San Remo-Triumphator Oscar Freire alt aussehen lassen. «Als Burghardt abgegangen ist, war mir klar, dass ich ihn nicht mehr kriege. Er ist unheimlich stark», lobte der Spanier seinen jugendlichen Bezwinger, der im Vorjahr nach einer Knie-Operation fast die gesamte Saison 2006 sausen lassen musste. Sein erster Profisieg überhaupt, gleich bei einem Klassiker: Besser geht kein Comeback.
Mit Rang 12 bei der Flandern-Rundfahrt hatte Burghardt seine Klasse schon angedeutet. Mit Platz drei in Harelbeke setzte er im März hinter Ex-Weltmeister Tom Boonen und Paris-Roubaix-Sieger Fabian Cancellara bereits ein Ausrufezeichen. Vier Jahre nach Andreas Klier feierte der Zschkopauer in Wevelgem den erst zweiten Erfolg eines deutschen Profis in der 73-jährigen Geschichte des flämischen Rennens.
Trotz des schwierigen Saisonstarts mit vielen neuen Fahrern und neuer Ausrichtung hätte es laut Aldag «weder vom Sponsor noch von Bob Stapleton Stress gegeben». Dennoch macht der Erfolg von Wevelgem, dem spätestens am 1. Mai am Henninger Turm beim Heimspiel in Frankfurt durch Ciolek, Sinkewitz oder Burghardt der zweite Streich folgen soll, die Arbeit nach Aldags Worten «leichter und ist innerlich befriedigend».