Hamilton (dpa) - Für seinen Teamchef Hans-Michael Holcer ist Uwe Peschels WM-Bronzemedaille von Hamilton fast ein medizinisches Wunder. «Wer ihn am vorletzten Tag der Tour de France mit all den Schläuchen in seinen Rippen gesehen hat, hätte nicht geglaubt, dass er hier aufs Treppchen steigt.»
Im letzten Zeitfahren der Titelkämpfe in Kanada über 41,2 km, bei dem der Schotte David Millar dominierte, trennten den gebürtigen Berliner mit Wohnsitz Scheidegg/Allgäu nur 56/100 von der Silbermedaille des Australiers Michael Rogers. Dennoch war Peschel, oft genug zu recht mit dem Prädikat «Pechvogel» versehen, rundherum zufrieden: «Hätte mir jemand vor dem Start gesagt, Du holst eine Medaille, hätte ich ihn für verrückt erklärt.»
Peschel bestritt erst sein zweites Zeitfahren seit seinem schweren Sturz im Juli. Dabei war er auf regenasser Straße, wie nach ihm Jan Ullrich, ausgerutscht. Diagnose: Komplizierter Rippenbruch mit Beeinträchtigung der Lungenfunktion. Trotzdem wollte der Gerolsteiner-Profi bei seinem Debüt am nächsten Tag um jeden Preis aufs Rad, um die Tour auf den Champs Elysees wenigstens zu beenden. Die Ärzte mussten fast Gewalt anwenden, ihn zurückzuhalten. Bei der vergangenen WM in Zolder/Belgien hatte der nimmermüde Zeitfahr-Spezialist, der in Hamilton seinen 3. Platz von 1995 wiederholte, in aussichtsreicher Position einen technischen Defekt, der ihn chancenlos zurückwarf.
Der zweifache Vize-Weltmeister Michael Rich aus Emmendingen konnte sich spontan mit seinem Freund nicht mitfreuen. Nach einem für ihn enttäuschenden Rang 4 verließ der Mitfavorit den Ort auf schnellstem Weg im Auto. Mit der Peschel-Medaille vergrößerte sich die Edelmetall-Sammlung des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), der nach der verpatzten Bahn-WM von Stuttgart auf Wiedergutmachungskurs ist, nach vier von acht Wettbewerben auf zwei Mal Gold und je ein Mal Silber und Bronze. Damit ist die Bilanz von Zolder bereits verbessert - und noch stehen die Straßenrennen mit den Medaillen-Kandidaten Judith Arndt und Erik Zabel aus.
Für den in Malta geborenen und in Hongkong aufgewachsenen David Millar (26) lief am Donnerstag auf dem schwierigen Stadtkurs von Hamilton alles wie am Schnürchen. In 51:17,29 Minuten war er, wie im letzten Zeitfahren der Tour, unschlagbar. Welten - 1:25,09 Minuten - lagen zwischen ihm und der Entdeckung des Frühjahrs, Michael Rogers. Der Silbermedaillen-Gewinner aus Australien hatte im Mai die Deutschland-Tour gewonnen. Millar trat die Nachfolge des Telekom- Profis Santiago Botero (Kolumbien) an, der nach verkorkster Saison nicht antrat - ebenso wie sein Vorgänger als Titelträger, Ullrich, oder der fünffache Tour-Sieger Lance Armstrong.
«Ich habe lange auf einen solchen Tag gewartet. Ich wollte unbedingt als Weltmeister bei den Olympischen Spielen nächstes Jahr in Athen antreten», sagte der für das französische Cofidis-Team fahrende Millar, der fast so elegant fährt wie einst Miguel Induráin. Dessen Landsmann Igor Gonzalez de Galdeano, einer der Mitfavoriten, stürzte schwer. Dasselbe Schicksal war dem Spanier bei der Deutschland-Tour widerfahren.
Der Schweizer U23-Fahrer Daniel Gysling ist bei den obligatorischen Blutkontrollen des Weltverbandes UCI als bisher erster WM-Starter aufgefallen und wurde mit sofortiger Wirkung vorerst 15 Tage gesperrt.
Rang | Name | Zeit |
1. | David Millar (Schottland) | 51:17,29 Min. |
2. | Michael Rogers (Australien) | + 1:25,09 |
3. | Uwe Peschel (Scheidegg) | + 1:25,65 |
4. | Michael Rich (Emmendingen) | + 1:35,68 |
5. | Isidro Nozal (Spanien) | + 1:39,50 |
6. | Dario Frigo (Italien) | + 1:51,53 |
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